Metadaten

Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1935/36, 4. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 1: Kreta — Heidelberg, 1936

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41987#0027
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neue Darstellungen griechischer Sagen: 1. Kreta.

27

eine organische Verbindung von Vorder- und Hintergrund aber,
eine Staffelung in mehreren Raumschichten, als welche man das
Münchner Hydrienbild verstehen zu sollen glaubte, denkt diese
Stufe der Entwicklung noch nicht.
Dagegen kann nun die Form der abgekürzten Darstellung wie
sie das schwarzfigurige Vasengemälde zeigt, auf einem Werke reif-
archaischen Stils nicht weiter überraschen. Denn daß sie viel älte-
ren Ursprungs ist, hat die schöne Untersuchung von B. Schweitzer,
AM. 55, 1930, 107 ff. überzeugend dargetan. Die Zierstücke eines
Holzkästchens aus einem mykenischen Schachtgrab1, offensicht-
lich in zweiter Verwendung und etwas roh auf ihrer Unterlage be-
festigt, stellen „alarmbereite Wächterhunde“ dar —- lebendige
Hunde, nicht ihre steinernen Abbilder, was man zunächst wohl ver-
mutete; sehr reizvoll, wie die verschiedenen Grade der Erregung bei
diesen Rüden und Spitzhunden festgehalten sind. Die Elfenbein-
platten aber, welche sie tragen, sind nichts weiter als das profilierte
Stufengeison und darüber das flache Dach eines Wohnhauses, der
gegebene und gewohnte Platz dieser Palasthüter. Schweitzer ver-
mutet, gewiß mit Recht, in den feinen Schnitzereien von Kreta ein-
geführtes Fabrikat und verweist auf ähnliche Abbreviaturen in der
minoischen Kunst. Und zwar handelt es sich um einen Ausschnitt
im eigentlichen Sinn, denn vorausgegangen ist das Bild des von den
Tieren bekrönten Bauwerks in ganzer Gestalt. Im Kretisch-Myke-
nischen nachweisbar ist diese Reduktion zwrar nur für den Altarbau
mit den Vögeln. Aber die „Hunde auf dem Dach2“ sind der ägyp-
tischen Kunst geläufig (a. 0. 116 Abb. 2, 3: Grabhäuser mit Scha-
kalen als Wächtern der Totenstadt) und vermutlich von dort über-
nommen. Indessen auch das wird wahrscheinlich gemacht, daß be-
reits die Kunst Ägyptens den entscheidenden Schritt zum abkür-
zenden Verfahren getan haben dürfte (a. 0. 117 Abb. 4).
Wir sehen also die kretische Vasenmalerei frühgriechischer
Zeit auf Pfaden wandeln, die schon ihre Vorgängerin im zweiten
1 Karo, Schachtgräber v. Mykenai Tat. 145; Schweitzer, a. O.,
Beilage 29
2 Sollte dieselbe Idee etwa schon der so erstaunlich naturalistisch emp-
fundenen Figur eines Hundes zugrunde liegen, die den plastischen Deckelgriff
einer frühminoischen Steatitpyxis (Seager, Mochlos 20f. Abb. 4, 5; Evans,
Palace of Minos I 94 Abb. 62, vgl. S. 93, 4) bildet? Nicht als ob wir den (ver-
loren gegangenen) steinernen Behälter für die Nachahmung einer Rundhütte
hielten! Aber das erhöhte Lager des Hundes läßt immerhin eine solche Vor-
stellung des wachenden Haustieres vermuten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften