Neue Darstellungen griechischer Sagen: I. Kreta.
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Kunst einer jüngeren Zeit gemacht* 1. Mag sein, daß die Doppelbe-
deutung des Wortes corona das Mißverständnis verursacht hat: wie
umgekehrt auf Darstellungen der Alexanderhochzeit in der Re-
naissance aus dem Kranz, den der Bräutigam der Rhoxane reicht,
die Königskrone geworden ist. Vermutlich haben die Künstler oder
ihre gelehrten Berater eine lateinische Übersetzung des Lukian-
textes benutzt2. Der στέφανος auf dem Gemälde des Aetion war
aber schwerlich die rituelle Brautkrone, sondern einfach der bräut-
liche Kranz3.
Trotz allem, darüber sind wir uns natürlich klar, ist unsere An-
nahme, es sei auch auf der Vase aus Ivnossos jene Legende von der
Minostochter und ihrem Entführer illustriert4, vorerst eine bloße
Vermutung. Indessen die Flinte werfen wir doch noch nicht ins
Korn. Der Schlußpunkt unserer ganzen Beweisführung, der Tupfen
auf dem i, ist freilich auch nichts weiter als — ein Punkt! Den
dunkeln Tupfen in der Mitte, zwischen den Köpfen des Paares,
haben die früheren, sonst so ausführlichen und gewissenhaften Be-
schreibungen übergangen. Und doch ist auf dem Bildchen mit der
durchsichtigen Klarheit seiner Struktur auch das unscheinbarste
Detail nicht belanglos. Alles hat hier seinen Sinn und verlangt nach
einer Deutung. Was soll das kreisrunde Ding ? Ist es bloß Schön-
heitspflästerchen, Lückenbüßer ? Allein, der horror vacui ist dieser
kretischen Gefäßmalerei fremd; zum mindesten in ihren figürlichen
den Daidalos für Ariadne geschaffen, einleuchtend als ein mit Figuren verziertes
toreutisches Meisterwerk; man denke an die korinth. Goldbleche, die vielleicht
ebenfalls von einem Kopfschmuck stammen, mit ihrem Bilde eines Reigen-
tanzes.
1 In dieser Gestalt finden wir den Kranz der Ariadne z. B. auf den Bildern
des Salzburger Mosaiks in Wien, ThuA. 16 Abb. 14 Taf. I, II (S. 43ff. Sichler).
2 Lukian, Aetion 5 (= Overbeck SQ. 1938). Siehe die Zeichnungen
von Raffael in Windsor Castle u. von Parmigianino in Wien, Albertina, die
Gemälde von Sodoma in Villa Farnesina, von Pierino del Vaga ( ?) im Casino
Borghese (aus d. Villa Raffaels), von Niccolo delkAbbate in Fontainebleau,
von Rubens in Hannover, Cumberland Galerie; R. Förster, Farnesina-Stu-
dien 103ff. u. Jb. d. Preuß. K. S. 15, 1894, 182ff.
3 Über Kranz u. Krone s. Saus, Die Brautkrone, Rhein. Mus. 73, 1920,
199ff.; L. Deubner, Die Bedeutung des Kranzes im klass. Altertum, ARW. 30,
1933, 70ff.; Wolters, Die archaische Hera in Olympia, Festschrift H. Wölff-
lin (1935) 168ff.
4 Diese Möglichkeit, neben anderen, hat auch Payne erwogen, aber
kurzerhand mit einer Begründung abgelehnt, die wir nun zu entkräften
suchen.
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1935/36. 4. Abh.
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Kunst einer jüngeren Zeit gemacht* 1. Mag sein, daß die Doppelbe-
deutung des Wortes corona das Mißverständnis verursacht hat: wie
umgekehrt auf Darstellungen der Alexanderhochzeit in der Re-
naissance aus dem Kranz, den der Bräutigam der Rhoxane reicht,
die Königskrone geworden ist. Vermutlich haben die Künstler oder
ihre gelehrten Berater eine lateinische Übersetzung des Lukian-
textes benutzt2. Der στέφανος auf dem Gemälde des Aetion war
aber schwerlich die rituelle Brautkrone, sondern einfach der bräut-
liche Kranz3.
Trotz allem, darüber sind wir uns natürlich klar, ist unsere An-
nahme, es sei auch auf der Vase aus Ivnossos jene Legende von der
Minostochter und ihrem Entführer illustriert4, vorerst eine bloße
Vermutung. Indessen die Flinte werfen wir doch noch nicht ins
Korn. Der Schlußpunkt unserer ganzen Beweisführung, der Tupfen
auf dem i, ist freilich auch nichts weiter als — ein Punkt! Den
dunkeln Tupfen in der Mitte, zwischen den Köpfen des Paares,
haben die früheren, sonst so ausführlichen und gewissenhaften Be-
schreibungen übergangen. Und doch ist auf dem Bildchen mit der
durchsichtigen Klarheit seiner Struktur auch das unscheinbarste
Detail nicht belanglos. Alles hat hier seinen Sinn und verlangt nach
einer Deutung. Was soll das kreisrunde Ding ? Ist es bloß Schön-
heitspflästerchen, Lückenbüßer ? Allein, der horror vacui ist dieser
kretischen Gefäßmalerei fremd; zum mindesten in ihren figürlichen
den Daidalos für Ariadne geschaffen, einleuchtend als ein mit Figuren verziertes
toreutisches Meisterwerk; man denke an die korinth. Goldbleche, die vielleicht
ebenfalls von einem Kopfschmuck stammen, mit ihrem Bilde eines Reigen-
tanzes.
1 In dieser Gestalt finden wir den Kranz der Ariadne z. B. auf den Bildern
des Salzburger Mosaiks in Wien, ThuA. 16 Abb. 14 Taf. I, II (S. 43ff. Sichler).
2 Lukian, Aetion 5 (= Overbeck SQ. 1938). Siehe die Zeichnungen
von Raffael in Windsor Castle u. von Parmigianino in Wien, Albertina, die
Gemälde von Sodoma in Villa Farnesina, von Pierino del Vaga ( ?) im Casino
Borghese (aus d. Villa Raffaels), von Niccolo delkAbbate in Fontainebleau,
von Rubens in Hannover, Cumberland Galerie; R. Förster, Farnesina-Stu-
dien 103ff. u. Jb. d. Preuß. K. S. 15, 1894, 182ff.
3 Über Kranz u. Krone s. Saus, Die Brautkrone, Rhein. Mus. 73, 1920,
199ff.; L. Deubner, Die Bedeutung des Kranzes im klass. Altertum, ARW. 30,
1933, 70ff.; Wolters, Die archaische Hera in Olympia, Festschrift H. Wölff-
lin (1935) 168ff.
4 Diese Möglichkeit, neben anderen, hat auch Payne erwogen, aber
kurzerhand mit einer Begründung abgelehnt, die wir nun zu entkräften
suchen.
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1935/36. 4. Abh.