Neue Darstellungen griechischer Sagen: II. Picenum.
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Statue gewählten Zusammenstellung, ist offenbar im Anschluß an
eine Komposition entstanden, wie sie uns etwa ein verschollenes,
nur aus zwei Zeichnungen vom Anfang des 19. Jahrhunderts be-
kanntes Relief aus Ambelokipi vor Augen führt: die Göttin — hier
freilich nicht das altertümliche Pallasidol, sondern eine Schöpfung
der phidiasischen Epoche — aufrecht stehend zwischen ihren Tie-
ren1. Dieses majestätische Stilleben der drei zu ebener Erde, auf ge-
meinsamer Grundlinie nebeneinander gereihten Wesen hat nun der
hadrianisclie Künstler seiner Märchenpflanze aufgepfropft und läßt
es so in luftiger Höhe balanzieren.
Dennoch ist der Gedanke, die tierischen Begleiter der Göttin
auf Stauden zu setzen, nicht erst ein Einfall dieses Klassizismus,
vielmehr wird auch hierfür auf alte bildliche Tradition zurückge-
griffen. Die sonderbare Lösung nämlich, daß sich die Schlange nicht
etwa um den Stengel des Gewächses herumwindet, sondern mit
ihrem Leib auf letzterem aufzuruhen scheint, gibt bereits eine
schwarzfigurige Schüssel mit Darstellung einer Opferprozession2.
Das Bild selber ist allerdings durchaus nicht so ehrwürdigen Alters,
wie es zunächst vielleicht den Anschein hat, sondern gehört jenem
archaisierenden Silhouettenstil an, der in Böotien noch im fünften
Jahrhundert viel älterer Malweise und Technik folgt. Der Vergleich
mit einem attischen Vasengemälde der vorangehenden Zeit3 lehrt,
daß trotz der böotischen Herkunft des Gefäßes das Götterbild der
athenischen Polias gemeint sein muß, ihr Altar und Tempel; und
das pflanzliche Stützwerk für die gewaltige Burgschlange soll ja
wohl eine Andeutung des Ölbaums sein, dessen Stamm sie sonst
meistens umschlingt oder dem entlang sie in die Höhe kriecht. Ihr
1 Frickenhaus, Jdl. 28, 1913, 358. Amelung, ÖJh. 11, 1908, 190 hält
die Eule nicht für eine willkürliche Zutat, sondern für einen Bestandteil der
Gruppe, in der er das Vorbild vermutet; seine Rekonstruktion S. 189 Abb. 71
ist allerdings wenig glücklich. Jedenfalls ist die Eule, neben der Göttin am
Boden hockend, auf Münzen nicht selten: Svoronos, Monnaies d’Athenes
Taf. 84, 36—39; 85, 4, 8—11; Dörpfeld, Troja u. Ilion II 477ff. Beilage 61,
6, 10, 12, 16, 19 (Statue der Athena Ilia).
2 Brit. Mus. B. 80 (Cat. Vases II 76); Gecil Smith, JHS. 1, 1880, 202ff.
Taf. 7; Farnell, Cults of the Greek States I 335 Taf. 15b; Pfuhl, MuZ.
Abb. 169 I 206f., zur Deutung 207 Anm. 1; Nilsson, Min.-Myc. Religion 422, 1
u. 426, 2; Rumpf, Die Religion d. Griechen (Bilderatlas z. Religionsgeschichte
13/14) Abb. 150.
3 Amphora Berlin 1686; Harrison, Anc. Athens 457 Abb. 53; Farnell
a. O. 336 Taf. 15c; Petersen, Burgtempel 29 Abb. 3 u. S. 42ff.; derselbe,
Athen (Ber. Kunststätten 41) 46 Abb. 23.
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Statue gewählten Zusammenstellung, ist offenbar im Anschluß an
eine Komposition entstanden, wie sie uns etwa ein verschollenes,
nur aus zwei Zeichnungen vom Anfang des 19. Jahrhunderts be-
kanntes Relief aus Ambelokipi vor Augen führt: die Göttin — hier
freilich nicht das altertümliche Pallasidol, sondern eine Schöpfung
der phidiasischen Epoche — aufrecht stehend zwischen ihren Tie-
ren1. Dieses majestätische Stilleben der drei zu ebener Erde, auf ge-
meinsamer Grundlinie nebeneinander gereihten Wesen hat nun der
hadrianisclie Künstler seiner Märchenpflanze aufgepfropft und läßt
es so in luftiger Höhe balanzieren.
Dennoch ist der Gedanke, die tierischen Begleiter der Göttin
auf Stauden zu setzen, nicht erst ein Einfall dieses Klassizismus,
vielmehr wird auch hierfür auf alte bildliche Tradition zurückge-
griffen. Die sonderbare Lösung nämlich, daß sich die Schlange nicht
etwa um den Stengel des Gewächses herumwindet, sondern mit
ihrem Leib auf letzterem aufzuruhen scheint, gibt bereits eine
schwarzfigurige Schüssel mit Darstellung einer Opferprozession2.
Das Bild selber ist allerdings durchaus nicht so ehrwürdigen Alters,
wie es zunächst vielleicht den Anschein hat, sondern gehört jenem
archaisierenden Silhouettenstil an, der in Böotien noch im fünften
Jahrhundert viel älterer Malweise und Technik folgt. Der Vergleich
mit einem attischen Vasengemälde der vorangehenden Zeit3 lehrt,
daß trotz der böotischen Herkunft des Gefäßes das Götterbild der
athenischen Polias gemeint sein muß, ihr Altar und Tempel; und
das pflanzliche Stützwerk für die gewaltige Burgschlange soll ja
wohl eine Andeutung des Ölbaums sein, dessen Stamm sie sonst
meistens umschlingt oder dem entlang sie in die Höhe kriecht. Ihr
1 Frickenhaus, Jdl. 28, 1913, 358. Amelung, ÖJh. 11, 1908, 190 hält
die Eule nicht für eine willkürliche Zutat, sondern für einen Bestandteil der
Gruppe, in der er das Vorbild vermutet; seine Rekonstruktion S. 189 Abb. 71
ist allerdings wenig glücklich. Jedenfalls ist die Eule, neben der Göttin am
Boden hockend, auf Münzen nicht selten: Svoronos, Monnaies d’Athenes
Taf. 84, 36—39; 85, 4, 8—11; Dörpfeld, Troja u. Ilion II 477ff. Beilage 61,
6, 10, 12, 16, 19 (Statue der Athena Ilia).
2 Brit. Mus. B. 80 (Cat. Vases II 76); Gecil Smith, JHS. 1, 1880, 202ff.
Taf. 7; Farnell, Cults of the Greek States I 335 Taf. 15b; Pfuhl, MuZ.
Abb. 169 I 206f., zur Deutung 207 Anm. 1; Nilsson, Min.-Myc. Religion 422, 1
u. 426, 2; Rumpf, Die Religion d. Griechen (Bilderatlas z. Religionsgeschichte
13/14) Abb. 150.
3 Amphora Berlin 1686; Harrison, Anc. Athens 457 Abb. 53; Farnell
a. O. 336 Taf. 15c; Petersen, Burgtempel 29 Abb. 3 u. S. 42ff.; derselbe,
Athen (Ber. Kunststätten 41) 46 Abb. 23.