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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0026
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18

Arnold von Salis:

Der Kopf des kleineren Vogels wird zum Teil von der menschlichen
Gestalt verdeckt1, doch dürfte auch hier eine Eule gemeint sein, und
treffend hat 0. Jahn, Archäol. Beiträge 229, 27 auf die Schilderung
hingewiesen, die Hygin fab. 28 von der Bestrafung der Giganten
Otos und Ephialtes gibt: ad columnam aversi alter ab altero
serpentibus sunt deligati; est styx inter, columnam sedens ad
quam sunt deligati2. στύξ ist der Kauz, der Totenvogel3. Beim
Gefesselten der Schale ist freilich, wie auch hei seinem Lei-
densgenossen, die Deutung umstritten: Tityos oder Prometheus ?
Ich neige der ersteren Erklärung zu, erblicke in den Figuren zwei
Hadesbewohner, in jener, auf deren Nacken eine wuchtige Fels-
masse zu lasten scheint, demnach Tantalos. Allerdings wird hei
Horaz carm. II 13, 37 neben Tantalus gerade auch Prometheus als
Büßer in der Unterwelt genannt, doch von seiner Marter ist dort
nicht die Rede; so wird die Frage nach der Bestimmung der Heroen
auf dem Schalenhild wohl offen bleiben müssen.
Ganz sicher aber ist in der linken unteren Ecke unserer Stele
Prometheus mit dem Adler dargestellt. Diese Szene hat bisher noch
keine irgendwie überzeugende Erklärung erfahren, denn die allzu
naive von Mariani4 ist nicht ernst zu nehmen. Indessen, nachdem
das Wort einmal gefallen ist, wird man die Sache gar nicht mehr
anders sehen können. Da sitzt ein Mann am Boden in hilflos steifer
Haltung, die Arme demLeib entlang gesenkt, die Beine ausgestreckt,
mit dem Rücken an einen Steinblock oder Baumstumpf gelehnt.
Auf ihn zu stößt, den Kopf gegen seine Brust gerichtet, ein mächti-
ger Vogel mit ausgebreiteten Schwingen und gefiedertem Schwanz;
allein, noch im Fluge hat des Herakles Pfeil ihn erreicht und seinen
Körper durchbohrt. Daß die gebogene Linie wirklich die tödliche
Waffe bedeuten soll, ist klar; sie bricht beim Umriß des Tierleibs
ab und setzt sich jenseits desselben fort. Der Vorgang entspricht
somit der Art, wie die archaische Kunst die Befreiung des Prome-

1 Das soll aber nicht heißen, daß er den Mann in den Nacken pickt, also
sich an der Schindung beteiligt, wie Albizzati S. 66 glaubt.
2 Gegen die Emendation von Munker (styx super columnam sedens)
siehe H. J. Rose, Hygini Fabulae 31, mit Hinweis aul Statius Theb. 9, 290
sedens equum. Dort auch Vermutungen über den Ursprung des Bildtypus
(Vogel auf Säule sitzend) so wie der Sage selber.
3 Hesych. s. v.: κρήνη έν "Αιδου ή ό σκώψ τό ορνεον.
4 RendLinc. 17, 1908, 687, übernommen von Reisch bei Helbig3 II
S. 280 (Nr. 1658).
 
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