20
Arnold von Salis:
aber gar nichts zu erkennen1. Auf unserer Stele finden wir die Fessel
um die Mitte des Unterschenkels -— die Abbildungen versagen
freilich, am Original ist es nicht zu übersehen — sehr gewissenhaft
eingezeichnet2.
An zahlreiche der griechischen Darstellungen erinnert der Adler,
der sein Opfer bedroht. Manchmal ist er, wie hier, vom Pfeil bereits
getroffen, oder das lange Geschoß fliegt eben auf ihn zu. Wenn je-
doch der rettende Bogenschütze selber nicht sichtbar ist, so erklärt
es sich einfach dadurch, daß schon die Vorlage auf die Figur ver-
zichtet hatte, aus Raummangel, wie in vielen Fällen; so stets auf
den Bronzereliefs und geschnittenen Steinen, wo der knappe Rah-
men nur Prometheus und den Adler enthält. Stammt die Anregung
von einem Werke der Kleinkunst etwa in der Art der getriebenen
Bronzebleche, so kam von vornherein ja nur ein Ausschnitt der
Szene in Frage. In den Einzelheiten stimmt das Bild freilich mit
keiner der erhaltenen griechischen Fassungen überein, aber auch
diese selber sind untereinander stark verschieden. Gemeinsam ist
allen nur die ungemein drastische Anschaulichkeit in der Schilde-
rung des Geschehens. Und die eben ist es, welche die Haltung dieser
Stelenbilder in ihrer Gesamtheit charakterisiert.
Jedenfalls das Mittelbild des Grabsteins aus Fano, das die
ganze Stelenbreite, soweit sie erhalten, einnimmt, läßt in dieser
Hinsicht nichts zu wünschen übrig. Ein gewaltiger Kriegsheld, mit
wallendem Helmbusch, Schild und Speer, schlägt eine ganze Rotte
von Feinden im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Felde. Der vor-
derste liegt bereits auf dem Bauch, die Waffe neben sich am Boden,
anscheinend mit rückwärts gewandtem Gesicht. Der zweite schickt
sich an es ihm gleichzutun. Dieser und auch sein Hintermann haben
den Speer ihren Händen entfallen sehen. Der letzte in der Reihe
hält den seinen noch, doch auch er ist zur Flucht schon fest ent-
schlossen. Nach irgend Vergleichbarem, was die Szene als Ganzes
1 Siehe z. B. die „Inselsteine“, die ältesten Darstellungen des leidenden
Prometheus überhaupt. Furtwängler, Gemmen Taf. 5, 37, wo P. am Boden
hockt, die Hände im Rücken zusammengebunden. Auf einer anderen Gemme,
Rev. arch. 36, 1878 Taf. 20, 1; Roscher 3087 Abb. 3 P. aufrecht stehend, die
Fesseln um die Oberschenkel. Ferner die Bronzereliefs aus Olympia Furt-
wängler, Ol. 1Y Taf. 39 Nr. 699; AM. 41, 1916, 56 Abb. 10, und vom Ptoion
BCH. 16, 1892, 351 Taf. 10. Beides bloß Fragmente, aber auch da ist für eine
zweite Person kein Platz.
2 Ein argloser Kustode hat auf meine Frage, was die beiden Striche wohl
bedeuten könnten, die Sache sofort ganz richtig erklärt.
Arnold von Salis:
aber gar nichts zu erkennen1. Auf unserer Stele finden wir die Fessel
um die Mitte des Unterschenkels -— die Abbildungen versagen
freilich, am Original ist es nicht zu übersehen — sehr gewissenhaft
eingezeichnet2.
An zahlreiche der griechischen Darstellungen erinnert der Adler,
der sein Opfer bedroht. Manchmal ist er, wie hier, vom Pfeil bereits
getroffen, oder das lange Geschoß fliegt eben auf ihn zu. Wenn je-
doch der rettende Bogenschütze selber nicht sichtbar ist, so erklärt
es sich einfach dadurch, daß schon die Vorlage auf die Figur ver-
zichtet hatte, aus Raummangel, wie in vielen Fällen; so stets auf
den Bronzereliefs und geschnittenen Steinen, wo der knappe Rah-
men nur Prometheus und den Adler enthält. Stammt die Anregung
von einem Werke der Kleinkunst etwa in der Art der getriebenen
Bronzebleche, so kam von vornherein ja nur ein Ausschnitt der
Szene in Frage. In den Einzelheiten stimmt das Bild freilich mit
keiner der erhaltenen griechischen Fassungen überein, aber auch
diese selber sind untereinander stark verschieden. Gemeinsam ist
allen nur die ungemein drastische Anschaulichkeit in der Schilde-
rung des Geschehens. Und die eben ist es, welche die Haltung dieser
Stelenbilder in ihrer Gesamtheit charakterisiert.
Jedenfalls das Mittelbild des Grabsteins aus Fano, das die
ganze Stelenbreite, soweit sie erhalten, einnimmt, läßt in dieser
Hinsicht nichts zu wünschen übrig. Ein gewaltiger Kriegsheld, mit
wallendem Helmbusch, Schild und Speer, schlägt eine ganze Rotte
von Feinden im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Felde. Der vor-
derste liegt bereits auf dem Bauch, die Waffe neben sich am Boden,
anscheinend mit rückwärts gewandtem Gesicht. Der zweite schickt
sich an es ihm gleichzutun. Dieser und auch sein Hintermann haben
den Speer ihren Händen entfallen sehen. Der letzte in der Reihe
hält den seinen noch, doch auch er ist zur Flucht schon fest ent-
schlossen. Nach irgend Vergleichbarem, was die Szene als Ganzes
1 Siehe z. B. die „Inselsteine“, die ältesten Darstellungen des leidenden
Prometheus überhaupt. Furtwängler, Gemmen Taf. 5, 37, wo P. am Boden
hockt, die Hände im Rücken zusammengebunden. Auf einer anderen Gemme,
Rev. arch. 36, 1878 Taf. 20, 1; Roscher 3087 Abb. 3 P. aufrecht stehend, die
Fesseln um die Oberschenkel. Ferner die Bronzereliefs aus Olympia Furt-
wängler, Ol. 1Y Taf. 39 Nr. 699; AM. 41, 1916, 56 Abb. 10, und vom Ptoion
BCH. 16, 1892, 351 Taf. 10. Beides bloß Fragmente, aber auch da ist für eine
zweite Person kein Platz.
2 Ein argloser Kustode hat auf meine Frage, was die beiden Striche wohl
bedeuten könnten, die Sache sofort ganz richtig erklärt.