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Arnold von Salis:
„Seestück“ zu allererst erwarten würde, die Fische bleiben hart-
näckig fern; unseres Wissens werden sie auf diesen Denkmälern
überhaupt nicht dargestellt1. Das heißt doch wohl, daß hier die
Kähne gar nicht in ihrem Element gesehen sind, niemals in einem
einheitlichen bildlichen Zusammenhang, sondern immer nur isoliert
und auf neutraler Fläche. Ganz im Gegensatz zum Süden, wo das
Schiff wirklich und sichtbar durch die Wellen streicht.
Nun aber haben die Fische unter dem Kiel2 in der Kunst der
Antike noch eine andere als sinnbildliche oder versinnlichende Be-
deutung; ihre Aufgabe ist zugleich auch eine formale: sie stellen,
besonders da, wo sie in rhythmischer Regelmäßigkeit einander fol-
gen, was oft von unbestreitbar ornamentalem Reiz sein kann,
gleichsam die Basis des Ganzen dar, den unteren Bildabschluß, sie
rahmen und festigen die Komposition. Gerade auf den picenischen
Stelen ist diese Tendenz, durch die langen Fischketten die Waag-
rechte nach Kräften zu unterstreichen, sehr ausgeprägt, wie denn
die Zonengliederung, nicht überall, aber doch bei den zusammen-
hängenden Szenen, mit Nachdruck betont wird. Diesen Fries-
charakter der Anordnung, im Sinne des archaischen Stils, werden
wir in einem anderen, noch zu besprechenden Fall (unten Abb. 2)
durch ein Verfahren ersetzt finden, das die Figuren in einer Art von
Kavalierperspektive über die Fläche verteilt, also auf einen räum-
lich gesehen einheitlichen „Boden“ stellt, womit der Boden archa-
ischer Stilgesetze bereits wieder verlassen ist. Zwei grundsätzlich
verschiedene Formen der Bildgestaltung; allein von der einen wie
von der anderen ist jenes unbedenkliche Draufgängertum der Prä-
historie, das die Figuren in wildem Durcheinander, plan- und haltlos
auf die Felsplatte streut, gleich weit entfernt3.
1 Eine Ausnahme Norden 197 Abb. 28: zwei kleine Fische neben Vier-
füßlern, hier aber fehlen die Schiffe! Ob die Schlangen ebenda 181 Abb. 16, 17
= 378 Taf. 122 Wassertiere sein sollen, ist mindestens fraglich.
2 Beispiele bei Marinatos, BCH. 57, 1933, 227 Abb. 12 (babylon.);
Köster, Das antike Seewesen 25 Abb. 4 (ägypt.), 62 Abb. 12, 64 Abb. 17
(kret.-min.), Tafelbild 18 (geometr.). Ferner die Fibeln IIampe, Frühe griech.
Sagenbilder Taf. 4, 5, 11, 14. Archaisch Köster Tafelb. 29, 46; selbst im Aus-
schnitt Regung, Die antike Münze als Kunstwerk Taf. 19, 424 (S. 12). Ganz
spät die Menas-Ampulle Köster Tafelb. 9.
3 In einem Abschnitt „Die Komposition der Felsbilder“ vertritt Alm-
gren 155ff. seine Ansicht über ein sukzessives Zustandekommen der einzelnen
Bilder oder Gruppen, jeweils aus Anlaß bestimmter Kultfeiern angelegt,
was das oft sehr verschiedene Aussehen der Figuren wie vor allem auch das
Fehlen jeglicher Disposition ohne weiteres erklären würde.
Arnold von Salis:
„Seestück“ zu allererst erwarten würde, die Fische bleiben hart-
näckig fern; unseres Wissens werden sie auf diesen Denkmälern
überhaupt nicht dargestellt1. Das heißt doch wohl, daß hier die
Kähne gar nicht in ihrem Element gesehen sind, niemals in einem
einheitlichen bildlichen Zusammenhang, sondern immer nur isoliert
und auf neutraler Fläche. Ganz im Gegensatz zum Süden, wo das
Schiff wirklich und sichtbar durch die Wellen streicht.
Nun aber haben die Fische unter dem Kiel2 in der Kunst der
Antike noch eine andere als sinnbildliche oder versinnlichende Be-
deutung; ihre Aufgabe ist zugleich auch eine formale: sie stellen,
besonders da, wo sie in rhythmischer Regelmäßigkeit einander fol-
gen, was oft von unbestreitbar ornamentalem Reiz sein kann,
gleichsam die Basis des Ganzen dar, den unteren Bildabschluß, sie
rahmen und festigen die Komposition. Gerade auf den picenischen
Stelen ist diese Tendenz, durch die langen Fischketten die Waag-
rechte nach Kräften zu unterstreichen, sehr ausgeprägt, wie denn
die Zonengliederung, nicht überall, aber doch bei den zusammen-
hängenden Szenen, mit Nachdruck betont wird. Diesen Fries-
charakter der Anordnung, im Sinne des archaischen Stils, werden
wir in einem anderen, noch zu besprechenden Fall (unten Abb. 2)
durch ein Verfahren ersetzt finden, das die Figuren in einer Art von
Kavalierperspektive über die Fläche verteilt, also auf einen räum-
lich gesehen einheitlichen „Boden“ stellt, womit der Boden archa-
ischer Stilgesetze bereits wieder verlassen ist. Zwei grundsätzlich
verschiedene Formen der Bildgestaltung; allein von der einen wie
von der anderen ist jenes unbedenkliche Draufgängertum der Prä-
historie, das die Figuren in wildem Durcheinander, plan- und haltlos
auf die Felsplatte streut, gleich weit entfernt3.
1 Eine Ausnahme Norden 197 Abb. 28: zwei kleine Fische neben Vier-
füßlern, hier aber fehlen die Schiffe! Ob die Schlangen ebenda 181 Abb. 16, 17
= 378 Taf. 122 Wassertiere sein sollen, ist mindestens fraglich.
2 Beispiele bei Marinatos, BCH. 57, 1933, 227 Abb. 12 (babylon.);
Köster, Das antike Seewesen 25 Abb. 4 (ägypt.), 62 Abb. 12, 64 Abb. 17
(kret.-min.), Tafelbild 18 (geometr.). Ferner die Fibeln IIampe, Frühe griech.
Sagenbilder Taf. 4, 5, 11, 14. Archaisch Köster Tafelb. 29, 46; selbst im Aus-
schnitt Regung, Die antike Münze als Kunstwerk Taf. 19, 424 (S. 12). Ganz
spät die Menas-Ampulle Köster Tafelb. 9.
3 In einem Abschnitt „Die Komposition der Felsbilder“ vertritt Alm-
gren 155ff. seine Ansicht über ein sukzessives Zustandekommen der einzelnen
Bilder oder Gruppen, jeweils aus Anlaß bestimmter Kultfeiern angelegt,
was das oft sehr verschiedene Aussehen der Figuren wie vor allem auch das
Fehlen jeglicher Disposition ohne weiteres erklären würde.