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Arnold von Salis:
schon recht früh entgegentreten1. Auf der Novilara-Stele aber ist
dieses mächtige Quadrat, das genau in der Mitte des Bildfeldes am
Maste auf gerichtet ist, mit der gewissenhaften Wiedergabe von
Rahen und Tauen, recht eigentlich das stolze Prunkstück des Gan-
zen. Und wie mit dem Ding umzugehen sei — denn nur eine Be-
schäftigung am Segel kann doch wohl die Tätigkeit des in Vorder-
ansicht gezeichneten Mannes bedeuten, dessen hochgestreckte
Hände den unteren Rand des Tuches fassen —, das hat dem Zeich-
ner der Stele wiederum die Kunst des Südens vorgemacht2. So wie
wir auch nur dort das Steuer an der Arbeit sehen; die nordischen
Felsbilder verzichten durchwegs auf eine Schilderung der nauti-
schen Vorrichtungen in Aktion.
Schließlich sind auch die Kämpfe zu Wasser der skandinavi-
schen Kunst der Bronzezeit fremd. Niemals wird man dort zwei
Schiffe sich so hartnäckig ineinander verbeißen sehen, wie es auf
der Stele die beiden Ruderboote tun, welche die Kampfhahnhälse
ihrer Steven so gefährlich kreuzen. Das Waffenschwingen der Be-
satzung, auf den Felszeichnungen nicht selten, hat da vermutlich
einen rituellen, keinen kriegerischen Sinn; die neuere Forschung,
die diesen Bildern ausschließlich sakrale Bedeutung beimessen will,
erblickt in den Insassen der Kultschiffe — der „Vorfahren“ der spä-
teren Karnevalsschiffe (Schiffskarren) — durchweg Festteilnehmer
in ekstatischer Verfassung: neben Adoranten, Tänzern, Voltigeuren
auch Speer- oder Axtträger bei der Vorführung eines zeremoniellen
Scheingefechts3. Dagegen gehören die Seeschlachten, bei denen es
1 Siehe Almgren a. 0. u. Köster, Studien 117, 3. Sehr ausführlich
über Mast und Segel in der minoischen Kunst Marinatos 200ff.; hier hat das
Segelschiff sogar Aufnahme unter die Hieroglyphen der Bilderschrift gefunden.
Über das Segel bei Homer Köster, Seewesen 76, im Zeitalter des geometr.
Stils 86; vgl. auch Pernice, AM. 17, 1892, 287ft.
2 Hissen des Segels in der ägypt. Kunst Köster 25 Abb. 4, 5, Tafel-
bild 7; Caspari, Jdl. 31, 1916, 12 Abb. 4, Tai. 1; Klebs, Reliefs des AR. 105,
Reliefs u. Malereien des MR. 63, 65 Abb. 44. Auf den Dipylonscherben AM.
17, 1892, 289 Abb. 2, 3 ist die Tätigkeit der Matrosen augenscheinlich dieselbe
wie auf unserer Stele: das sog. Fieren des Segels, das heruntergelassene Tuch
wird an den Rändern gefaßt und auseinandergezogen. Vgl. auch das spartan.
Elfenbeinrelief Köster 89 Abb. 20 und die späten Beispiele ebenda 169
Abb. 38, 171 Abb. 39; Caspari 15 Abb. 7; Marinatos 206 Abb. 6. Zur Sache
Köster 167 Kap. XVI. Takelung der Segelschiffe.
3 Es ist nur konsequent, wenn Almgren 112ff. die häufigen Kämpfe
zu Lande ebenfalls als Kulthandlungen, auch das Reitertreffen 117 Abb. 78,
in dem Montelius, Les temps prehistoriques en Suede 103 Abb. 138 noch etwas
Arnold von Salis:
schon recht früh entgegentreten1. Auf der Novilara-Stele aber ist
dieses mächtige Quadrat, das genau in der Mitte des Bildfeldes am
Maste auf gerichtet ist, mit der gewissenhaften Wiedergabe von
Rahen und Tauen, recht eigentlich das stolze Prunkstück des Gan-
zen. Und wie mit dem Ding umzugehen sei — denn nur eine Be-
schäftigung am Segel kann doch wohl die Tätigkeit des in Vorder-
ansicht gezeichneten Mannes bedeuten, dessen hochgestreckte
Hände den unteren Rand des Tuches fassen —, das hat dem Zeich-
ner der Stele wiederum die Kunst des Südens vorgemacht2. So wie
wir auch nur dort das Steuer an der Arbeit sehen; die nordischen
Felsbilder verzichten durchwegs auf eine Schilderung der nauti-
schen Vorrichtungen in Aktion.
Schließlich sind auch die Kämpfe zu Wasser der skandinavi-
schen Kunst der Bronzezeit fremd. Niemals wird man dort zwei
Schiffe sich so hartnäckig ineinander verbeißen sehen, wie es auf
der Stele die beiden Ruderboote tun, welche die Kampfhahnhälse
ihrer Steven so gefährlich kreuzen. Das Waffenschwingen der Be-
satzung, auf den Felszeichnungen nicht selten, hat da vermutlich
einen rituellen, keinen kriegerischen Sinn; die neuere Forschung,
die diesen Bildern ausschließlich sakrale Bedeutung beimessen will,
erblickt in den Insassen der Kultschiffe — der „Vorfahren“ der spä-
teren Karnevalsschiffe (Schiffskarren) — durchweg Festteilnehmer
in ekstatischer Verfassung: neben Adoranten, Tänzern, Voltigeuren
auch Speer- oder Axtträger bei der Vorführung eines zeremoniellen
Scheingefechts3. Dagegen gehören die Seeschlachten, bei denen es
1 Siehe Almgren a. 0. u. Köster, Studien 117, 3. Sehr ausführlich
über Mast und Segel in der minoischen Kunst Marinatos 200ff.; hier hat das
Segelschiff sogar Aufnahme unter die Hieroglyphen der Bilderschrift gefunden.
Über das Segel bei Homer Köster, Seewesen 76, im Zeitalter des geometr.
Stils 86; vgl. auch Pernice, AM. 17, 1892, 287ft.
2 Hissen des Segels in der ägypt. Kunst Köster 25 Abb. 4, 5, Tafel-
bild 7; Caspari, Jdl. 31, 1916, 12 Abb. 4, Tai. 1; Klebs, Reliefs des AR. 105,
Reliefs u. Malereien des MR. 63, 65 Abb. 44. Auf den Dipylonscherben AM.
17, 1892, 289 Abb. 2, 3 ist die Tätigkeit der Matrosen augenscheinlich dieselbe
wie auf unserer Stele: das sog. Fieren des Segels, das heruntergelassene Tuch
wird an den Rändern gefaßt und auseinandergezogen. Vgl. auch das spartan.
Elfenbeinrelief Köster 89 Abb. 20 und die späten Beispiele ebenda 169
Abb. 38, 171 Abb. 39; Caspari 15 Abb. 7; Marinatos 206 Abb. 6. Zur Sache
Köster 167 Kap. XVI. Takelung der Segelschiffe.
3 Es ist nur konsequent, wenn Almgren 112ff. die häufigen Kämpfe
zu Lande ebenfalls als Kulthandlungen, auch das Reitertreffen 117 Abb. 78,
in dem Montelius, Les temps prehistoriques en Suede 103 Abb. 138 noch etwas