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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0046
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Arnold von Salis:

am Bug des Schiffes auf einen nicht mit dargestellten Gegner seine
Lanze zückt. Dergleichen kommt bereits auf geometrischen Vasen-
bildern vor; eine solche Scherbe zeigt einen Krieger, der auf den
Schiffsschnabel getreten ist, offenbar bereit ans Land zu springen1.
So stellt die spätere Kunst den Todessprung des Protesilaos dar2.
Nicht, als oh wir auf dieser Gleichsetzung bestünden. Heute aber
wo sich im Denkmälervorrat des griechischen Mittelalters, auf be-
maltem Tongeschirr und metallenen Gewandnadeln, die Zahl der
sicheren Sagenbilder zusehends vermehrt —die Taten des Herakles,
sein Abenteuer mit der Hydra, die Erlegung der Hirschkuh, die
Tötung des Zwillingspaars Aktorione-Molione, das trojanische
Pferd, vielleicht auch der Doppelmord von Eteokles und Polyneikes,
die Flucht von Theseus und Ariadne3 —, erscheint die Gesamtheit
dieser Szenen in einem eigenartigen Licht: die Dinge spielen in der
Sphäre des Heroischen sich ab, manche nachweisbar in der Welt
der Vergangenheit, in einem rein vorstellungsmäßigen Dasein alle.
Und in keinem Falle handelt es sich um ein einfaches Spiegelbild der
gegenwärtigen Wirklichkeit4. Es ist der Widerschein der gerade da-
mals sich so reich entfaltenden epischen Dichtung, der auch auf diese
unscheinbaren Erzeugnisse des frühgriechischen Kunstgewerbes fällt.
Alle die bisher besprochenen Beziehungen und Deutungsmög-
lichkeiten standen 0. Begenbogen noch gar nicht vor Augen, als
1 AM. 17, 1892, 302 Nr. 24 Ahb. 8. Noch eindeutiger ist das Bild einer
Fibel im Münchener Privatbesitz, Jdl. 31, 1916, 291 Tat. 17, 2: da springt der
vollgerüstete Krieger, die Lanze schwingend, mit einem mächtigen Satze aus
dem Schiff hinaus.
2 Roscher IIJ 3165ff.; Gisela Μ. A. Richter, BMetrMus. 24, 1929,
26ff. u. MetrMusStud. 1, 1929, 18711.
3 Von Rampe 78 (Anhang 8) u. 80, wie übrigens schon von anderen vor
ihm, vielmehr als Entführung der Helena erklärt. Siehe aber jetzt NeueDarstell.
gr. Sagen I. Kreta 29ff. Zu den Darstellungen von Personen auf hohem Deck-
aufbau (dort S. 18ff.) wären nachzutragen: die sf. böot. Oinochoe Ephem. 1912
Taf. 6, 1; AM. 41, 1916, 211, 3 (Nachweis von H. Möbius), merkwürdig auch
wegen der originellen Bezeichnung des Meeres (vgl. oben S. 33) durch Wellen
und Delphine in zwei voneinander getrennten Zonen! — ferner die geometr.-
böot. Vase in Gestalt eines Schiffes, Forman Collection Catal. 42 Nr. 264 (Abb.).
4 Vgl. auch die Bemerkungen von Kunze, Kret. Bronzereliefs 204 zu den
Löwenjagd-Darstellungen dieser Kunst. ,,Wie die epischen Dichter wollen auch
die Künstler nicht Kämpfe der Gegenwart, sondern die heroischen Taten der
Vergangenheit erzählen. Löwen konnte man ja in jener Zeit weder auf Kreta
noch auch in Griechenland irgendwo mehr jagen. Aber diese Kämpfe und Aben-
teuer sind noch nicht durch den Mythos an bestimmte Helden gebunden, sie
sind vielmehr nur eine allgemeine Verbildlichung von Heldentaten der Vorzeit.“
 
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