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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0065
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Neue Darstellungen griechischer Sagen: II. Picenum.

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in die Höhe, umkreist das hitzig ineinander verbissene Fechterpaar.
Daß es sich bei dem gräßlichen Vorgang um ein richtiges Kampf-
spiel, und zwar wieder aus Anlaß einer Leichenfeier handeln müsse
wurde längst erkannt; die Gruppe ist Teil eines größeren Ganzen’
zu dem Ringkämpfer, ein Kampfrichter, Zuschauer und auch die?
üblichen Kampfpreise, mehrere aufeinandergetürmte Kessel wie
bei griechischen Agonen, gehören.
Ein „Spiel“ ? nun ja, indessen so ungefährlich und „amüsant“,
wie es von Stryk vorkommt, ist es doch wohl nicht, nähert sich
vielmehr bedenklich einer eigentlichen Marterszene. Mit Etrurien
und seiner Gräberkunst haben unsere picenischen Grabstelen kaum
etwas zu tun; aber einen Greuel ähnlicher Art muß sich ihr Bildner
aasgedacht haben, als er das Schema des „Gefesselten Prometheus“
benutzte, um den bevorstehenden Opfertod eines armen Schächers
anzudeuten. Denn das und nichts anderes ist ja offenbar gemeint;
der Löwe dürfte als Verkörperung des reißenden Tiers schlechthin
gewählt worden sein. Läuft hier die künstlerische Phantasie der
Wirklichkeit voraus ? Denn der Vorgang entspricht merkwürdig
dem, was uns von der Strafe des bestiis obici, so lautet der tech-
nische Ausdruck, bei den Römern berichtet wird. „Regelmäßig
wurden die Delinquenten wehrlos in die Arena geführt, häufig an
einen Pfahl gebunden. Obwohl ein ernstlicher Kampf bei diesem
Verfahren Vorkommen konnte, so sind doch Waffen, wie der ge-
werbsmäßige Kämpfer sie bei den öffentlichen Venationen führt,
den Verbrechern wenigstens der Regel nach nicht gegeben worden,
da die Tötung bezweckt war1.“ Der Ruf „An die Laterne!“ der fran-
zösischen Revolution ist Ausdruck derselben Gier wie die Akkla-
mation ,,ad leonern2“, die im kaiserzeitlichen Rom nur allzu oft
erklang. Ihr Ziel aber hat, wenn wir uns nicht täuschen, an weit
entlegenem Ort ein einfältiger Steinmetz im Bilde verwirklicht,
lange bevor sie dort unten sich hören ließ.
1 Mommsen, Röm. Strafrecht 927 Anm. 5, mit Hinweis auf die Märtyrerin
Blandina, die έπί ξύλου κρεμασΟ-εΐσα προύκεΐτο βορά των είσβαλλομένων -9-ηρίων
(Eusebius, hist. eccl. 5, 1, 41) u. auf Vita Aureliani 37: subrectus ad stipi-
tem bestiis obiectus est. Vgl. Altheim, ARW. 27, 40. Über eine Parallele aus dem
alten Mexiko, das von den Spaniern, die dort allerlei gelernt zu haben scheinen,
als „sacrificio gladiatorio“ bezeiclmete Opferfest s. Malten, a. O. 336f.; da
mußte der mit einem Strick an einen Pfahl gefesselte, mit Schild und Schwert
aus Holz ausgerüstete Gefangene sich gegen mehrere vollbewaffnete Krieger
wehren. Fiel er nicht schon in dem fast aussichtslosen Kampf, so wurde ihm nach
der Niederlage die Brust auf geschnitten und das Herz herausgerissen.
2 Mommsen, 925 Anm. 2.
 
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