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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0069
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Neue Darstellungen griechischer Sagen: II. Picenum,

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Sühne- oder Opferritus. In dieser seiner ursprünglichen Form und
in seiner krassen Wirklichkeit finden wir ihn, wenn man unserer
Erklärung Glauben schenken will, auf der Stele von Novilara dar-
gestellt1. Es dürfte der einzige bildliche Beleg der barbarischen
Sitte sein, den uns das Altertum hinterlassen hat.
Wir sind jetzt wohl soweit, daß nach der Bedeutung dieser
figürlich verzierten picenischen Grabsteine in ihrer Gesamtheit ge-
fragt werden darf: was haben sie wirklich zum Inhalt ? Daß die ge-
wöhnliche Deutung, die gar so einfache, die hier bloß Szenen aus
dem Leben und Treiben der Verstorbenen zu erblicken meinte,
falsch sein muß, steht für uns fest; Jagd, Fischfang und Land-
schlacht2 glauben wir schon erledigt zu haben. Bleiben die Schiffs-
bilder und Schiffskämpfe; doch gerade sie lassen auch eine andere
als rein genremäßige Auslegung zu: außer der ,mythologischen“,
von der oben Seite 37 die Bede war, eine agonale. Beider Leichenfeier
für König Euagoras I von Cypern kommen, neben musikalischen,
gymnischen und hippischen Agonen, auch τριήρων άμιλλοα vor3.
Regatten und Seegefechte gehören zum Programm der panathenä-
ischen Spiele und der Munichia-Wettkämpfe4; deren Verwandt-
schaft mit den römischen Naumachien wurde schon mehrfach her-
vorgehoben5. Für den grausigen Ernst und den oft sehr blutigen
Ausgang der letzteren fehlt es nicht an Zeugnissen6; man lese bei
Tacitus Ann. XII 56f. die eingehende Schilderung der von Kaiser
Claudius auf dem Fuciner See gegebenen gewaltigen Naumachie.
Das Massaker, mit dem diese Schauspiele manchmal enden, er-
innert an die Schiffskämpfe der attischen Dipylonvasen; sehr wohl
möglich, daß auch diese — wie fast so gut wie alles, was wir dort

1 Vgl. Schwenk, RE. XV 956: ,,Im Verborgenen mag der wilde Brauch
(des Menschenopfers) hier und da auch auf italischem Boden vorgekommen sein“
— wo eher als in dem noch in geschichtlich heller Zeit recht hinterwälderischen
Picenum ?
2 Noch v. Sydow Propyl.-Kunstgesch. I 460 spricht von den „Krieger-
grabsteinen“ von Novilara. Siehe auch Messerschmidt, Bronzezeit u. frühe
Eisenzeit 48: „Szenender Jagdu. des Krieges.“
3 Isocrat. in Euagor. IX 1; Malten, a. O. 316f.
4 Dittenberger, Sylloge3 1055, 78 (III 211 Anm. 9 Literatur) u. 717, 21
(II 369f. Anm. lli; L. Deubner, Attische Feste 205 m. Anm. 4.
5 Siehe Friedlaender, Sittengesch. Roms 9II 92 Anm. 9.
6 Daremberg-Saglio IV lOff.; Friedlaender 92—94.
 
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