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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 2. Abhandlung): Vier Predigten im Geiste Eckharts — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41989#0051
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Die Verteidigung Eckharts durch Cusanus.

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tiert, geht er aber sehr genau auf den Abschnitt über die Welt-
schöpfung ein, aus dem folgender Satz in der Bulle Johannes XXII.
an zweiter Stelle verurteilt ist: „Ferner kann man zugeben, daß
die Welt von Ewigkeit gewesen ist1.“ Der erste und dritte Satz,
die aus der Genesisauslegung genommen sind, stehen dem Sinne
nach auch an dieser Stelle der Auslegung des Johannesevangeiiums.
Der erste Satz2 besagt, daß Gott die Welt nicht eher erschaffen
konnte, weil Gott nicht eher war. Sobald Gott war, sobald hat er
die Welt erschaffen. Der dritte Satz3 ist noch schärfer als der erste
formuliert: „Zugleich und auf einmal, als Gott war, als er seinen
Sohn, der ihm gleich ewig und in allem ihm gleicher Gott ist, zeugte,
erschuf er auch die Welt.“ Offensichtlich verurteilte der Papst diese
Sätze als häretisch, weil er darin die Lehre von der Ewigkeit der
Welt ausgesprochen sah.
Cusanus rechtfertigt nun in der angeführten Predigt obige
Sätze, ohne sich allerdings auf die Bulle zu beziehen. Aber abge-
sehen davon, daß die Artikel der Bulle in seiner Eckharthandschrift
verzeichnet sind4, zeugt das neben dem Satz: „Item concedi potest
mundum fuisse ab aeterno“ stehende Cave5, daß er über das Urteil

1 Vgl. Archiv f. Lit.-und Kirchengeschichte d. MA. 2 (1886), 687. „Se-
cundus articulus. Item concedi potest mundum fuisse ab aeterno.“
2 „Primus articulus. Interrogatus quandoque, quare deus mundum non
prius produxerit, respondit tunc sicut nunc, quod deus non potuit prius (Bulle:
primo) producere mundum, quia res non potest agere, antequam sit; unde
quamcito deus fuit, tamcito mundum creavit.“ Der Wortlaut des Artikels
stimmt nicht mit dem Text Eckharts In Gen. I n. 7 überein; vgl. Archiv
f. Lit.- und Kirchengesch. d. MA. 2 (1886), 553, 11—15. Eckhart hat das
aber in seiner Verteidigung nicht beanstandet; vgl. Fr. Pelster, Ein Gut-
achten aus dem Eckehart-Prozeß in Avignon, in: Grabmann-Festschrift (Bei-
träge zur Gesch. d. Phil. d. MA., Suppl.-Bd. III), 1935, 1109, 29ff.
3 „Tertius articulus. Item simul et semel, quando deus fuit, quando
filium sibi coaeternum per omnia coaequalem deum genuit, etiam mundum
creavit.“ Vgl. Archiv a. a. O. 553, 16—18.
4 F. 78rb: Articuli condempnati istius doctoris. Primus: Deus non po-
tuit mundum prius creare, quia ante mundum et tempus non fuit prius. Se-
cundus: Concedi potest quod mundus fuit ab eterno etc. Vidi (zu verbessern
in: vide) istos super Iohannem in verbo „Ubi habitas“. Zweierlei ist hier
bemerkenswert: einmal, daß auch der erste Artikel als ein Exzerpt aus der
Johannesauslegung angesehen wird, sodann daß beide im genauen Wortlaut
von In loh. n. 214 und 216 (lOlra), nicht nach dem Bullentext wieder-
gegeben werden.
5 Aus diesem vereinzelten Cave hat man wohl eine allgemeine Warnung
vor Eckharts Lehre herauslesen wollen. Es besagt aber nicht mehr als der
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