Loquimini ad petram (n. 12—14).
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sam ans dem tiefen Brunnen schöpft, aus den Schriften nämlich,
in denen das Wasser verborgen ist. Daher fragt sie: ,,Woher also
hast du das lebendige Wasser?“ Und wolltest du etwa be-
haupten, du seist mehr als die gewöhnlichen Menschen, die Wasser
nur erlangen, wenn sie es schöpfen — ,,bist du etwa größer
als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben
hat? Er seihst trank aus ihm, auch seine Kinder und
sein Vieh.“ Es ist so, als wollte sie sagen: er, der uns diesen
Brunnen gegeben hat, aus dem er, seine Kinder und sein Vieh
tranken, konnte ihn uns nicht anders geben als wir ihn hier haben,
und er bekam aus ihm nur Wasser, wenn es geschöpft wurde.
13. „Je sus erwiderte ihr: Wer von diesem Wasser
trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem
Wasser trinkt, das ich ihm gehe, den dürstet nimmer
mehr. Vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gehen
werde, in ihm zu einem Brunnen, dessen Wasser ins
ewige Leben springt.“ Er antwortete nicht, woher er <das
lebendige Wasser) hatte. Denn der Ursprung hat es nicht von
einem anderen, daß er Ursprung ist. Er aber, der da als der Ur-
sprung redete, und zwar mit einer Weisheit, die auch Quell ist,
ist der Ursprung der Weisheit. Bemerke: man soll seine Heilshoff-
nung nicht auf die sichtbaren Dinge gründen; denn da die sicht-
baren Dinge zeitlich sind, können sie die ewige Seligkeit nicht
verleihen. Wasser trinken, das man sieht, bedeutet, den leiblichen
Durst eine Zeitlang löschen; ist sie verstrichen, so wird man wie-
der dürsten wegen der Unvollkommenheit < des irdischen Wassers >,
so als hätte man vorher nicht getrunken.
14. Zeitliches kann man nur durch Teilung erlangen, aber nie-
mals ganz besitzen, weil es im Fluß ist; daher begehrt man einen
Teil nach dem andern, weil ein Teil nur teilweise und zeitweise
sättigt. Geistige Dinge sind unteilbar, und man kann sie nur ganz
und vollkommen besitzen. Die Gerechtigkeit nämlich ist ganz bei
jedem Gerechten, nicht unter die Gerechten verteilt. Daher ist die
Gerechtigkeit des gerechten Petrus auch die Gerechtigkeit des ge-
rechten Paulus: sie sind durch die eine Gerechtigkeit, die Christus
decimo manifestum est quod iustitia se tota est in iusto quolibet. Media enim
iustitia non est iustitia.“ CUSANUS in marg.: nota. In loh. n. 119 (94vb);
CUSANUS in marg.: non est alia iustitia in se et alia in iusto. In loh. n. 392
[111va); In Sap. n. 44 [61 ob). AUGUSTINUS Enarratio in Ps. X n. 11,
PL 36, 137.
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sam ans dem tiefen Brunnen schöpft, aus den Schriften nämlich,
in denen das Wasser verborgen ist. Daher fragt sie: ,,Woher also
hast du das lebendige Wasser?“ Und wolltest du etwa be-
haupten, du seist mehr als die gewöhnlichen Menschen, die Wasser
nur erlangen, wenn sie es schöpfen — ,,bist du etwa größer
als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben
hat? Er seihst trank aus ihm, auch seine Kinder und
sein Vieh.“ Es ist so, als wollte sie sagen: er, der uns diesen
Brunnen gegeben hat, aus dem er, seine Kinder und sein Vieh
tranken, konnte ihn uns nicht anders geben als wir ihn hier haben,
und er bekam aus ihm nur Wasser, wenn es geschöpft wurde.
13. „Je sus erwiderte ihr: Wer von diesem Wasser
trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem
Wasser trinkt, das ich ihm gehe, den dürstet nimmer
mehr. Vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gehen
werde, in ihm zu einem Brunnen, dessen Wasser ins
ewige Leben springt.“ Er antwortete nicht, woher er <das
lebendige Wasser) hatte. Denn der Ursprung hat es nicht von
einem anderen, daß er Ursprung ist. Er aber, der da als der Ur-
sprung redete, und zwar mit einer Weisheit, die auch Quell ist,
ist der Ursprung der Weisheit. Bemerke: man soll seine Heilshoff-
nung nicht auf die sichtbaren Dinge gründen; denn da die sicht-
baren Dinge zeitlich sind, können sie die ewige Seligkeit nicht
verleihen. Wasser trinken, das man sieht, bedeutet, den leiblichen
Durst eine Zeitlang löschen; ist sie verstrichen, so wird man wie-
der dürsten wegen der Unvollkommenheit < des irdischen Wassers >,
so als hätte man vorher nicht getrunken.
14. Zeitliches kann man nur durch Teilung erlangen, aber nie-
mals ganz besitzen, weil es im Fluß ist; daher begehrt man einen
Teil nach dem andern, weil ein Teil nur teilweise und zeitweise
sättigt. Geistige Dinge sind unteilbar, und man kann sie nur ganz
und vollkommen besitzen. Die Gerechtigkeit nämlich ist ganz bei
jedem Gerechten, nicht unter die Gerechten verteilt. Daher ist die
Gerechtigkeit des gerechten Petrus auch die Gerechtigkeit des ge-
rechten Paulus: sie sind durch die eine Gerechtigkeit, die Christus
decimo manifestum est quod iustitia se tota est in iusto quolibet. Media enim
iustitia non est iustitia.“ CUSANUS in marg.: nota. In loh. n. 119 (94vb);
CUSANUS in marg.: non est alia iustitia in se et alia in iusto. In loh. n. 392
[111va); In Sap. n. 44 [61 ob). AUGUSTINUS Enarratio in Ps. X n. 11,
PL 36, 137.
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