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Emil Winkler:
Die Ableitung der Tragicomedie aus der Comedie zeigt deutlich,
daß im letzteren Begriff vor allem die Vorstellung eines ernsten
Theaterspiels guten Ausganges lebendig ist, zu dem keineswegs
wesentlich das Lachen gehört1.
So aber, und gestützt durch die Theorie, die nicht abriß —
1611 noch definierte Heinsius die Komödie mit überkommenen
Worten als civilis privataeque fortunae sine periculo vitae comprehen-
sio2, was 20 Jahre später Jean Mairet wörtlich übernahm3 —,
rettete sich das Wort Comedie vor der Gefahr, für immer etwa zur
Bezeichnung mehr oder weniger schmutziger Benaissance- oder son-
stiger Schwänke abzusinken. Daß die Gefahr bestand, ergibt sich
aus einer auffallenden geschichtlichen Tatsache. In dem Jahrzehnt
von 1620—1630 begann sich der Ton der französischen Bühne merk-
lich zu heben. In denselben Jahren 1620—1630 aber verschwin-
det der Titel Comedie von der französischen Bühne fast ganz4.
Nur das Schäferspiel und die Tragicomedie herrschen. Sollte es ein
Zufall sein ? Man wird eher annehmen dürfen, daß der Name
Comedie durch seine Anwendung auf ein farcenhaftes Lustspiel so
1 Wenn der Name tragicomedie vielleicht nach spanischem Vorbild beson-
ders beliebt wurde — s. H. Morf, a. a. O., S. 257 —, so sind die Begriffs-
verhältnisse im Spanischen doch andere als im Französischen. Es kann hier
darauf nicht näher eingegangen werden. Für die spanische Comedia vgl. etwa
A. Morel-Fatio, La comedia espagnole du XVIIe siecle, 2. Aufl., Paris 1923.
Die spanische Celestina, auf die man für den Namen tragicomedie hinzuweisen
pflegt, deutet den Namen anders als etwa Vauquelin. Otros han litigadö
sobre. el nombre (des Buches, so schreibt der zweite Autor am Beginn des
16. Jhd.s), diziendo que no se avia de llamar comedia, pues acabava en tristeza,
sino que se llamase tragedia. El primer auctor quiso darle denominacion del
principio, que fue plazer, e llamola. comedia. Yo viendo est'as discordias, entre
estos extremos parti agora por medio la porf ia, -e llamela tragicomedia (Comedia
de Calisto e Melibea, Ausgabe Bibliotheca Romanica, S. 34, Fußnote). Eine
Bezeichnung nach dem Beginn der dramatischen Handlung zu wählen, wie
nach diesen Worten der erste Verfasser der Celestina getan haben soll, wider-
spricht sonstigen Gepflogenheiten — ganz abgesehen davon, daß nach der
geläufigen Theorie die Komödie gar nicht durch heiteren Beginn gekenn-
zeichnet ist.
2 Die Definition steht schon in der Vorrede zur Terenz-Ausgabe des
Jodocus Badius, 1504. Siehe E. Lintilhac, Histoire generale du theätre en
France II, S. 276.
3 L. Rivaille, Les Debüts de P. Corneille, Paris 1936, S. 174. —-
Die Wichtigkeit einer genauen Bestimmung des Begriffs Comedie für das
literaturgeschichtliche Verständnis erkennt deutlich Rivaille ebendort,
S. 173/74.
4 F. Gaiffe, Le rire et la scene franpaise, Paris 1931, S. 88.
Emil Winkler:
Die Ableitung der Tragicomedie aus der Comedie zeigt deutlich,
daß im letzteren Begriff vor allem die Vorstellung eines ernsten
Theaterspiels guten Ausganges lebendig ist, zu dem keineswegs
wesentlich das Lachen gehört1.
So aber, und gestützt durch die Theorie, die nicht abriß —
1611 noch definierte Heinsius die Komödie mit überkommenen
Worten als civilis privataeque fortunae sine periculo vitae comprehen-
sio2, was 20 Jahre später Jean Mairet wörtlich übernahm3 —,
rettete sich das Wort Comedie vor der Gefahr, für immer etwa zur
Bezeichnung mehr oder weniger schmutziger Benaissance- oder son-
stiger Schwänke abzusinken. Daß die Gefahr bestand, ergibt sich
aus einer auffallenden geschichtlichen Tatsache. In dem Jahrzehnt
von 1620—1630 begann sich der Ton der französischen Bühne merk-
lich zu heben. In denselben Jahren 1620—1630 aber verschwin-
det der Titel Comedie von der französischen Bühne fast ganz4.
Nur das Schäferspiel und die Tragicomedie herrschen. Sollte es ein
Zufall sein ? Man wird eher annehmen dürfen, daß der Name
Comedie durch seine Anwendung auf ein farcenhaftes Lustspiel so
1 Wenn der Name tragicomedie vielleicht nach spanischem Vorbild beson-
ders beliebt wurde — s. H. Morf, a. a. O., S. 257 —, so sind die Begriffs-
verhältnisse im Spanischen doch andere als im Französischen. Es kann hier
darauf nicht näher eingegangen werden. Für die spanische Comedia vgl. etwa
A. Morel-Fatio, La comedia espagnole du XVIIe siecle, 2. Aufl., Paris 1923.
Die spanische Celestina, auf die man für den Namen tragicomedie hinzuweisen
pflegt, deutet den Namen anders als etwa Vauquelin. Otros han litigadö
sobre. el nombre (des Buches, so schreibt der zweite Autor am Beginn des
16. Jhd.s), diziendo que no se avia de llamar comedia, pues acabava en tristeza,
sino que se llamase tragedia. El primer auctor quiso darle denominacion del
principio, que fue plazer, e llamola. comedia. Yo viendo est'as discordias, entre
estos extremos parti agora por medio la porf ia, -e llamela tragicomedia (Comedia
de Calisto e Melibea, Ausgabe Bibliotheca Romanica, S. 34, Fußnote). Eine
Bezeichnung nach dem Beginn der dramatischen Handlung zu wählen, wie
nach diesen Worten der erste Verfasser der Celestina getan haben soll, wider-
spricht sonstigen Gepflogenheiten — ganz abgesehen davon, daß nach der
geläufigen Theorie die Komödie gar nicht durch heiteren Beginn gekenn-
zeichnet ist.
2 Die Definition steht schon in der Vorrede zur Terenz-Ausgabe des
Jodocus Badius, 1504. Siehe E. Lintilhac, Histoire generale du theätre en
France II, S. 276.
3 L. Rivaille, Les Debüts de P. Corneille, Paris 1936, S. 174. —-
Die Wichtigkeit einer genauen Bestimmung des Begriffs Comedie für das
literaturgeschichtliche Verständnis erkennt deutlich Rivaille ebendort,
S. 173/74.
4 F. Gaiffe, Le rire et la scene franpaise, Paris 1931, S. 88.