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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0007
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Omnis ecclesia Petri propinqua

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imng geführte Deutung besagt: eine ecclesia Petri propinqua ist
„jede mit Petrus verwandte und zusammenhängende, von Petrus
herstammende, zu Petrus in Beziehung stehende, d. h. eben jede
katholische Kirchengemeinde“, „jede Kirche, deren Bischof sein
amtliches Dasein auf Mt. 16, 18f. zurückführen kann, also jede
katholische Bischofskirche (mit Ausschluß aller häretischen und
schismatischen Gemeinschaften)“. Kallist hätte also aus der Katho-
lizität der römischen Gemeinde und der Zurückführung seines
bischöflichen Daseins auf Mt. 16, 18f. jene Befugnis der Vergebung
der Unzuchtsünden abgeleitet.
Demgegenüber bietet schon der Text eine Schwierigkeit. Die
Logik des Kallistschen Gedankenganges wäre doch diese: der Herr
hat zu Petrus gesagt: ,,auf diesen Felsen will ich meine Kirche
bauen, ich habe Dir die Schlüssel des Himmelreiches gegeben, was
Du bindest oder lösest auf Erden, wird in den Himmeln gebunden
und gelöst sein“, diese potestas deriviert. Auf wen ? Antwortet
man: auf jede Petrus verwandte Kirche, so müßte es folgerichtig
heißen: also auch auf Deine Kirche, also auch auf Dich, der Du
als Bischof sie repräsentierst. Das Zwischenglied: also auch auf
Deine Kirche, fehlt aber im Text, vielmehr würde von dem Grund10
einer Mehrzahl der Kirchen sofort auf die Einzelperson geschlossen
sein — was vielleicht nicht unmöglich, aber auf alle Fälle hart ist.
Antwortet man: auf Dich* 11, so müßte es folgerichtig heißen: denn
Du bist ja dank Mt. 16, 18 bevollmächtigter Bischof, also auf jede
Bischofskirche, die ihrerseits ecclesia Petri propinqua ist, also auf
omnis ecclesia Petri propinqua. Da fehlen erst recht im Texte die
Mittelglieder. Wer die in Rede stehenden Worte (oben Voraus-
setzung 7) Kallist zuschreibt und sie dann im Sinne von Hugo
Koch deutet, darf die dann entstehenden textlich-logischen Härten
nicht etwa mit dem prägnanten Stil Tertullians erklären wollen12,
10 „Id est kann die Gleichsetzung, oder den Grund, oder die Folge be-
deuten“ (v. Harnack, a. a. O., 148, Anm. 1).
11 Unter Berufung auf alligaveiis vel solveris. Die derivatio ad omnem
ecclesiam stützt sich auf: aedificabo ecclesiam meam, die zwei Folgerungen
korrespondieren zwei Voraussetzungen.
12 So hatte ich ZNW. 1932, 63, Anm. 1 gegen Hugo Koch geltend ge-
macht, aber tatsächlich liegt keine Differenz zwischen uns vcr nach Kochs
Erklärung (ib. 70), daß Tertullian durch das „id est sein Bestreben, den
Gedankengang des Gegners genau und richtig wiederzugeben, deut-
lich zu erkennen gibt“. (Sperrung von mir.) — Sehr beachtlich, gerade weil er
ganz anders deutet als ich, sind die Hinweise von A. Ehrtiard: „Die Kirche
 
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