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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0013
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Omnis ecclesia Petri propinqua.

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Schon aber hat sich die Spekulation im Zeitalter des Hellenist
mus der Vorstellung von der fließenden göttlichen Kraft bemäch-
tigt. Sap. Sah 7, 25 heißt es von der Weisheit: άτμίς γάρ έστι της
του θεού δυνάμεως καί απόρροια τής του παντοκράτορος δόξης43. Oder
Philo (Leg. All. II 86) sagt von ihr: σοφία του θεού, ήν άκραν καί πρω-;
τίστην ετεμεν άπό των έαυτοΰ δυνάμεων, έξ ής ποτίζει τάς φιλόθεους
ψυχάς. Oder die κοσμοποιητική δύναμίς Gottes wird πηγήν εχουσά
τό προς αλήθειαν αγαθόν (De ορ. mundi 21). Wie Grundmann
(a. a. O. 38) zeigte, steht hinter Philo Poseidonius. Diese Spekula-
tion vollendet sich in der Gnosis, in der, aus den verschiedensten
Quellen gespeist, die göttliche Kraftsubstanz in tausend Rinnsalen
,,fließt“, bald mehr physisch, bald mehr psychisch.
Das lateinische Äquivalent für δύναμις, neben dem auch ενέργεια
oder εξουσία begegnet, ist teils virtus, teils efficacia, teils potestas,
potentia oder vis; ein erkennbarer Unterschied zwischen den ein-
zelnen Worten ist nicht zu erheben44. Da Tertullian von potestas
spricht, verdient Erwähnung, daß etwa der am Ende des 3. Jahr-
hunderts n. Chr. schreibende Solinus in seinen Collectanea rerum
memorabilium potestas als die magische Kraft von der natürlichen
vis unterscheidet; auch Firmicus Maternus gebraucht potestas in
diesem Sinne und kennt eine potestas verborum45. Der Begriff
potestas solvendi et alligandi, mit dem Tertullian, falls das Edikt
des Kallist griechisch geschrieben war, wohl ή δύναμις oder ή εξου-
σία46 του δεΐν καί του λύειν wiedergibt, ist vor ihm nicht zu be-
legen, aber es kann philologisch kein Einspruch dagegen erhoben
werden, ihn magisch, orendistisch zu verstehen von einer göttlichen
Kraft, zu lösen und zu binden. Und zwar von einer herüber-
geströmten, derivierten. Das intransitiv gebrauchte derivare be-
deutet: de re fluere, venire ad47. Hugo Koch hat die auch im. The-
saurus linguae latinae notierten Stellen im Wortlaut angeführt, an
denen Tertullian derivare bzw. derivatio gebraucht48. Aber er
schwächt den Sinn ab, wenn er von „Abstammung, Herkunft“
spricht. Der Begriff muß dynamisch genommen werden von einer
fließenden Kraft. Der Sohn Gottes als derivatio totius substantiae
43 Grundmann 35.
44 Nachweis hei Röhr 18, 271'., 30.
45 Röhr 28, 30 (zahlreiche Beispiele).
4(5 Origenes spricht (nach 244) im Kommentar zu Mt. tom. XI 1,14 von
der εξουσία der πέτρα (98, Klostermann).
47 Thesaurus linguae latinae s. v.
48 ZNW 1932, 70.
 
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