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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0029
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Omnis ecclesia Petri propinqua.

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den Kleinasiaten Bischof Viktor von Rom die Apostelgräber autori-
tativ ausgespielt hat131. Leider wissen wir nicht: wie ?132 Aber der
Präzedenzfall dürfte gegeben gewesen sein, wenigstens in der all-
gemeinen Beziehung, daß ein römischer Bischof die δύναμις des
Grabes kirchenpolitisch genutzt hat.
Vielleicht läßt sich noch ein anderer Hintergrund für die dyna-
mische Öffnung des Petrusgrabes gewinnen. Auch das antike Rom
besaß sein Oikistengrab, das des Romulus. Aber es war seit der
cäsariscb-augusteischen Zeit verschlossen, von einem schwarzen
Stein bedeckt: quaeque carent ventis et solibus ossa Quirini klagte
Horaz. Der Kult war geschlossen worden, man hatte ihn ersetzt
an anderer Stelle durch den Altar des neuen Herrschers von Rom,
Julius Caesar. In seiner Leichenrede aber hatte nach Cassius Dio
Antonius von ihm gesagt: δτι πρώτον μεν τής πόλεως ημών όλης
συγγενής έστιν έκ γάρ ών ούτος έγεννήΚη (Aeneas und Romulus),
προς τούτων ημείς ωκίσ&ημεν133 — er ist, der propinquus omnis
(totius) urbis, das gibt für die Stadt die Vorstellung, daß sie omnis
urbs Caesaris propinqua sei — die analoge Ideologie wie bei Kallist134!
So zu lesen bei einem Zeitgenossen des Kallist! Diesem geschlos-
senen Grab des Romulus stellt der römische Bischof das offene
Grab des Petrus gegenüber. Und wie die ganze Stadt Rom sich
mit dem zweiten Oikisten verwandtschaftlich verbunden weiß, so
131 H. Koch:: „Petrus und Paulus im zweiten Osterfeier-Streit ?“ (ZNW.
19,1920,174ff.), H. Dieckmann: „Das Zeugnis des Polykratesfür die Apostel-
gräber in Rom“ (ZkTh. 45, 1921, 627), v. Harnack 148, G. Krüger bei
Koch 175, auch Poschmann 97, und Adam (Neue Unters. 198), der dann
aber jede Beziehung zur antiken Auffassung, wonach im Grabe des Heiligen
auch dessen Vollmachten noch weiterleben, ablehnt. „Der Hinweis auf die
Gräber der Apostel sollte lediglich der exakte, jederzeit kontrollierbare Beleg
dafür sein, daß in Rom wirklich mehrere Apostel bis zu ihrem Lebensende
gewirkt haben.“
132 Ebensowenig, ob beide Gräber ins Feld geführt wurden, doch ist das
nach dem Zusammenhang das Wahrscheinliche. — An der Stellungnahme zu
der ganzen Frage hängt übrigens meine Hypothese nicht.
133 Cassius Dio XLIV, 37 (341, Bekker) bei E. Petersen: „Comitium,
Rostra, Grab des Romolus“, 1904, besonders S. 32 (hier irrig XLIV, 47 !);■
Horaz, Epoden 16, 13. Das hinter Quiiini stehende nefas videre! ist aber mit
Orelli (Iloratii opp. 1850, 727) auf das Folgende, die loci profana dissipatio
zu deuten, nicht, wie Torentius (1608), Cruquius (1611), Mitscherlich
(1800), Doering (1815) von der profanatio sepulcri durch den Blick.
134 Daß von einem Kult am Grabe Caesars nichts bekannt ist (L. Ross-
Taylor: „The Divinity of the Roman Emperor“, 1931, S. 81), hebt die Ana-
logie nicht auf.
 
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