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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0033
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Omnis ecclesia Petri propinqua.

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oder auf ,,Petrus und Kallist“ (v. Harnack), sondern auf die eine
Mehrheit darstellende, Kallist einschließende römische Gemeinde151.
Mit den Worten: quid nunc et ad ecclesiam, et quidem tuam, psy-
chice ? (72, 13) wird diese ecclesia unmittelbar apostrophiert152. Und
dieser ecclesia tua die wahre Kirche, so wie Tertullian sie versteht,
entgegengesetzt. Das ist nun aber keine Einzelgemeinde, sondern
ecclesia im Vollsinne (proprie et principaliter) ist der Geist. Mit
scharfer Pointierung heißt es: auch diese ecclesia ist eine ecclesia
omnis, aber numerus omnis, qui in hanc fidem conspiraverint
(72, 19f.). Gewiß, Du (Kallist) hast recht, die Kirche hat Sünden
zu vergeben (et ideo ecclesia quidem delicta donabit 72, 21), aber
was für eine Kirche ist das ? Die Kirche des Geistes durch einen
geistergriffenen Menschen (Apostel oder Propheten 72, 15), aber
nicht eine Kirche, bei der der Bischof das entscheidende Wort
(„per“ episcopum, entsprechend „per“ spiritalem hominem) spricht,
wie Du es in Deinem Edikt (ego absolvo) getan hast, nicht eine
ecclesia = numerus episcoporum, wie sie bei Deinem Vorgehen als
Kirchenbegriff herausspringt (72, 21 f.). Die Formulierung: non
ecclesia numerus episcoporum ist kompreß. Man erwartet zunächst:
sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia per epis-
copum. Aber das ergäbe eine schiefe Gegensätzlichkeit: (Gesamt-)
Kirche -—- (Einzel-)Kirche. Tertullian hat aber in seiner Bestim-
mung der ecclesia proprie et principaliter dicta das Problem der
Einzelkirche (der römischen) verlassen, hatte es letztlich von An-
fang an getan, indem er den römischen Bischof zum pontifex maxi-
mus, id est episcopus episcoporum stempelte und von einem ius
ecclesiae153 sprach, was durchaus nicht in der Ideologie desselben
lag153 a; eine gerade Gegensätzlichkeit erforderte also einen Gesamt-

151 Wenn die Worte 70, 30: „habet ecclesia potestatem delicta donandi“
von Kallist selbst stammen (wie wahrscheinlich), so ist auch hier unter ecclesia
die omnis ecclesia Petri propinqua, d. h. die römische ecclesia zu verstehen.
— Stoeckius (98, Anm. 2) deutet wie ich, glaubt aber solverit und alligaverit
lesen zu sollen. Aber die ecclesia ist eine Mehrheit, zumal Kallist bei aller
Zugehörigkeit zu ihr doch andererseits von ihr abgehoben wird; zudem geht
bei der Lesart solverit, alligaverit die Antithese: Singular (solveris, alligaveris)
— Plural (solverint, alligaverint) verloren.
152 So auch Stoeckius 102.
153 Es ändert daran nichts, wenn man ecclesiae als Dativ zu usurpas
zieht. Auch Stoeckius 57, 116 betont, daß Kallist „in erster Linie“ seine,
d. h. die römische Bischofskirche unter ecclesia versteht.
153a yon ganz anderen Voraussetzungen aus kommt auch Rolffs 136
3 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., pbil.-hist. Kl. 1937/38. 3. Abh.
 
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