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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0013
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 3

bist es, der mein Haupt erhebt. Bei jener herrscht sowohl in ihren
Fürsten wie in den ihnen untergeordneten Völkern die Begierde
Herr zu sein; in dieser dienen einander in Liebe sowohl die Vor-
gesetzten in Überlegung und Rat wie auch die Untergeordneten
im Gehorchen. Jene liebt in ihren Kräften das eigene Wirkver-
mögen, diese spricht zu ihrem Gott: Dich möchte ich lieben, Herr,
meine Wirkkraft . . . A“
Wie an noch manchen Steilen in De civitate Del und in anderen
Schriften ist hieraus ersichtlich, daß es in der civitas divina und der
civitas terrena nicht etwa um Kennzeichnung der beiden erschei-
nungshaften Gebilde von Kirche und Staat geht. Es wird viel-
mehr hier wie öfter darauf verwiesen, wie Bürger der civitas divina
mit Gott zugewandtem Herzen das irdische Staatswesen lenken
und besorgen, wie Bürger der civitas terrena, Söhne des Verder-
bens, mit erdverlorener Seele heilige Stätten und Ämter innehaben;
wie manche, die außerhalb der Kirche sind, doch zur Gemeinde
Gottes gehören, und manche, die die Sakramente empfangen, sie
doch nicht innerlich aufnehmen, wenn sie nämlich nicht innerlich
Christi Reich aufbauen. Solche und andere Abhebungen aber, die
zugleich ausdrücken, was die christliche Kirche ihrem eigentlichen
Wesen nach ■—- das keineswegs mit dem Begriff eines hierarchischen
Rechtsinstituts zusammenfällt — sein sollte, wie die Grundanschau-
ung überhaupt von der Verlorenheit alles dessen, was nicht zum
Aufbau der civitas l)ei gelebt und gewirkt wird, konnten innerlich
Verständnislosen, radikalen Verächtern des Staates und seines Auf-
gabenbereichs wie anmaßenden 'kirchlichen’ Ausdeutern einen
Ansatzpunkt bieten.
Des Augustinus persönliches Verhalten wie sein gesamtes
Schrifttum durch zieht allgemein neben einer pessimistischen Ableh-
nung der sündenverstrickten Welt und ihres Getriebes —- sichtbar
für ihn vor allem im Macht- und Weltreichstreben des an sich
nicht abgelehnten römischen Reiches — dennoch ein kraftaufrufen-
der und einsatzfordernder Geschichtsoptimismus. Dieser konnte in
seiner Zielsicht auf das wachsende Reich Gottes sich für das Ge-
meinschaftsleben weit fruchtbarer auswirken als der in sich wohl
frohere und stolzere, doch mehr im einzelpersönlichen Leben ver-
ankerte Entwicklungsoptimismus der Stoa: Ist die Welt jetzt auch
im Sündenstand, überall treffen wir doch auf Spuren und Abbilder
nicht nur des Schöpfergottes selbst, sondern zugleich auch jenes
seligen Urstandes, da der Mensch in rechter Ordnung und Aus-
 
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