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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0016
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E LIS A B E T H B 0 H _\ E N S TÄ D T :

Amt auch vom allgemeineren Tragboden aus zu einem mehr und
mehr politischen gewandelt. Und über die von Anfang ab sich
herausgestaltende bischöfliche Ordnungs- und Rechtsgewalt hinaus
war nicht nur der römische Bischofsstuhl der höchste und um-
fassende; vielmehr, wie früher das Amt des pontifex maximus als
ein imperiales Attribut galt, so schien man besonders unter den
Römern — nicht unbeeinflußt von großen religiösen, doch miß-
verstandenen, teils durch menschliche Herrschsucht mißgedeuteten
Idealen — mehr und mehr zu der Umkehrung geneigt, das Im-
periale als Attribut des pontifex maximus zu betrachten.
Bei der Christianisierung Deutschlands wurde die christliche
Lehre als solche und die sie vermittelnde und begleitende Kultur
fast in eins gemischt dem deutschen Volke dargeboten. Und weil
es sich in dieser begleitenden Kultur weitgehend um eine aus all-
gemeinerem (zuletzt römischem) Volksleben herausgewachsene und
geformte Kultur handelte, wurde sie vom werdenden deutschen
Volke um so eher aufgenommen-, als sich aus dessen verschiedenem
kulturellen Stammesgut noch keine dem Gesamtvolke gemeinsame
feste Form herausgestaltet hatte. Und der frühe germanisch-
deutsche Fürst war ja vor allem Herzog gewesen. Umso näher lag
die Gefahr, daß die Herrschenden die kulturelle Aufgabe nicht ge-
nug auch eigenartig in Angriff nahmen, nicht genug auf einen
Ausgleich bedacht waren, der die naturgegebenen kulturellen Volks-
kräfte zu freierem Spiel entbunden und gefördert, das eigene geistig-
seelische Volksgut sorgfältiger entwickelt hätte. Daß z. B. die
Führenden im fast gesamten geistigen Bildungsgebiet Geistliche
waren und auf lange blieben, legt in etwa einen Rückschluß auf
eine Einseitigkeit des vorherrschenden Bildungsgutes nahe, die nur
die wenigeren dennoch mit vollem naturgemäßen Leben zu durch-
dringen und zu erfüllen vermochten; es ging ja in den Schulen
vor allem um ,,Klerikerbildung nach römischer Tradition“ und für
weitere Kreise vorwiegend um christliche Lehrunterweisung6. Und
die Ehrfurcht vor Religion und Kultur ließ gerade auch starke
deutsche Eroberer dem römischen Bischof manche landesherrliche
Gebotsgewalt zugestehen. Damit wurde nicht nur um so mehr
'Rom den Römern’ überlassen. Im deutschen Land und Volk hing
es z. B. mit der auch äußerlichen Kultivierungsaufgabe der christ-
lichen Lebens- und Lehrverkünder zusammen, daß die Geistlichen,
die Kirchen immer mehr mit irdischen Gütern und Rechten begabt
wurden. Doch wuchs dies sich je länger desto mehr unheilvoll aus
 
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