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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0025
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 15

Beziehung genommen wird. Überhaupt gibt eine Formel wie 'Papst
und Kirche’ ungefähr einen ebensolchen fast koinzidentalen Ver-
tretungsausdruck wieder wie damals noch 'Kaiser und Reich’. In
einer um die Erfüllung so besorgten Überzeugung von der Notwen-
digkeit der Leitung Gottes, des Hingeleitetwerdens zu ihm, stellte
man sich umso kindlicher zu einer vermittelnden Führerin. Wird
doch damals in einer im allgemeinen noch nicht sehr selbstbesinn-
lichen, dafür um so mehr glaubensgewissen Menschheit die Wesens-
sicht der Kirche vor allem durch das Bewußtsein ihrer Vertretung
Gottes und des in ihr fortlebenden und gebietenden Christus be-
stimmt. Und ist es die Amtskirche, die nach dem herrschenden
Glauben vertretend Gottes Autorität besitzt, die Fülle der Macht
und Gnade Christi verwaltet und verteilt, so redete man umso
bedenkenloser von ihr in absolut umfassenden Ausdrücken, als man
ja wußte: es geht in dieser Vertretung nicht um persönlich mensch-
liches Vermögen und Tun. Solches Wissen aber und das ihm im
Mittelalter allgemein verbundene ausgeprägte ehrfürchtige Gefühl
für menschliche Vertretung und Vergegenwärtigung dahinter-
stehender Gotteswirklichkeit nahm auch umso bedenkenloser den
Mut, die vertretende Person, das Werkzeug, mit Glanz und Würde
des Wirkenden zu umgeben, und auch über die Fragwürdigkeit
alles irdisch begrenzten, oft sehr irrenden menschlichen Seins und
Tuns sowohl in vermeintlicher wie in echter Amtserfüllung hinweg-
zusehen und hinwegsehen zu machen. Ein Urteil über die Gesamt-
haltung der Zeit gewinnt man aus solchem nicht; ist doch die
Spannung zwischen Person und Amt immer vor allem Sache inne-
ren Tragens. Wo Thomas die Menschen selbst mehr ins Auge faßt,
kann er in klarer, strenger Sicht den Amtsmißbrauch und den
Widerspruch niedrigen Verhaltens zum Priesteramt tadeln und be-
klagen; er kann auch überzeugt und überzeugend ernst das Evan-
gelien-Wort erwägen: Wollet euch nicht Meister nennen lassen.
Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid alle untereinander
Brüder14.
Aber neben dieser moralischen Forderung innerer brüderlicher
Haltung überwiegt doch das selbstverständliche und autoritäts-
bewußte Aussprechen einer -— abgesehen von der inhaltlichen Über-
ordnung — formal gleichartigen Geltungsweise der priesterlich-
werkzeughaften Verwaltung und vertretenden Leitung auf der einen
und jener Herrschaft, die sich wesenhaft aus natürlichem mensch-
lichem Führertum aufbaut, auf der andern Seite, der geistlichen
 
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