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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0039
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Gues. 29

sehen Kaiser, wie der ursprünglichen, der frühen Kirche das vor-
wiegend Maßgebende. D. h. Richtschnur sind ihm. nicht sowohl
Theorien und Ideen und Ideale, die von menschengeschichtlicher
Erdenwirklichkeit gelöst bestehen, sondern -— wenn auch mehr
'einst’ •— schon begonnene Versuche einer Verwirklichung des
Idealen in er den wirklicher Menschengeschichte. Und geht Cusanus
für das Reich auch von der umfassenden Kaiseridee des Mittel-
alters aus, und durchstrahlt diese noch seine nüchternsten Alltags-
erwägungen: seine eigentliche Sorge gilt nicht sowohl dem 'heiligen
römischen Reiche deutscher Nation’ als vielmehr dem deutschen
Reich in deutschen Landen. Cusanus ist gottsicher und weltfroh
von dem mittelalterlichen Bewußtsein einer metaphysischen Weihe
der Wirklichkeit erfüllt. Das verleitet ihn nicht, Göttliches und
Weltliches und Kirchliches und Staatliches in geheimnisvoller Ver-
mischung zu sehen; es hilft ihm vielmehr, umso stolzer und an-
dächtiger die gesamte Weltwirklichkeit als solche — die er zwar
gerade aus und in ihrer metaphysischen Verankerung in ihrer er-
habenen und verpflichtungsstarken Größe erfaßt — in klarer Unter-
scheidung von dem einzigen unbedingt Unendlichen zu erblicken,
und in jedem ihrer Gebiete den Anruf des Schöpfers an unsere
freie geistige Tatkraft zu spüren.
Das Erfassen der währen Wirklichkeit der Welt geht aus von
ihrem letzten Grunde, schaut aus nach ihrer geistigen Vollendung,
und erfaßt sie so als ecclesia ipsa. Anfangs- wie Zielpunkt
jeder echten Welt-, und das heißt bei Cusanus zugleich Gemein-
schaftsbetrachtung, ist Gott selbst*): Der erste Grund alles Seien-
den, besonders alles lebendigen Seins, und zumal der höchsten Ent-
wicklung, des lebendig-denkenden Seins, das in einem letzten Sinne
steht und diesen sucht, kann nicht die Natur, gleichsam das Werk-
zeug eines höchsten Herrschers, nicht Notwendigkeit, ein gegebenes
Gesetz, sein, sondern nur ein freier schöpferischer Wille, Absicht
eines begründenden Geistes, der damit sich selbst erzeigen will.
Von dem einzigen, ewigen, ein-fachsten Gott fließt durch sein
Schöpfungstun das All aus in einer vielfältig verschiedenen und
verschieden entfernten Abbildlichkeit. Die erste, höchste Kreatur
steht in einer engen Verknüpfungsnähe zu ihm, dem Grundlegen-
den und Ersten, und die ganze Schöpfung ist eine endlose und un-
*) Für den weiteren Verlauf sollen sich die Ausführungen ganz aus des
Cusanus eigenen Gedanken aufbauen und in möglichst engem Anschluß aln
den Wortlaut seine eigene Begriffswelt wiedergehen.
 
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