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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0044
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Elisabeth Bohnenstädt:

Ebenbild des lebendigen Gottes zu werden. Aus dieser Zustim-
mung zu unsenn wahren Grunde als dem einen Grunde des Ganzen
und eines jeden erfahren wir auch, daß Glaube alles, was eingesehen
werden kann, zusammengefalteterweise umschließt und so Grund
und Anfang jeder Einsicht ist, die ihrerseits den Glauben ausein-
anderfaltet und wachsen macht. Erfahren wir doch auch in jeder
Einzelfähigkeit und jedem einzelnen Wissensgebiet, daß stets etwas
als Grund und Ursprung vorausgesetzt wird, das man nur in gläu-
biger Hinnahme erfaßt, und aus dem die Einsicbtigkeit des zu Be-
handelnden erst herausleuchtet, heraussteigt. Und auch das Ziel
jeden Weisheitssuchens, jeder Betrachtung ist die Bewunderung.
Die Seele begreift, weil sie glaubt35.
Erst durch die Liebe aber empfängt Glaube wie Erkennen
Leben und Verwirklichung, stetes Echt- und Wahrsein. Durch und
in Glaube gelangen wir zum Lieben; und nur Liebe ist Leben.
Sie ist die mit dem Wesen selbst gegebene Verbindungskraft, das
einigende Band, das erst jedes einzelne und alles zu einem Seien-
den, einem Ganzen zusammenfügt und damit jeden einzelnen wie
das Ganze immer mehr zur Freude und Vollendung eines jeden
werden läßt. Wonach man in erwählender Liebe sich ausstreckt,
das begreift man als Gutes. Dies besagt: zu nicht als liebenswert
Geglaubtem, zu gänzlich Unerkanntem, führt und zieht uns die
Liebe nicht hin. Im Herangezogenwerden liegt zugleich das Er-
kennen. Das liebende Verlangen nach dem Guten, dem Liebens-
werten, zeigt uns dies aber in der Fülle seines Anziehenden stets
als etwas, das noch nicht erreicht ist. Und weil es stets unerreich-
bar bleibt, läßt das Streben unseres Geistes, näher zu kommen,
läßt erkennende Liebe nie nach. Je mehr der Geist liebt, desto
mehr erkennt er, je mehr er erkennt, desto mehr liebt er. In voll-
endeter Wirklichkeit erkennt er soviel wie er liebt, und liebt er
soviel wie er erkennt. Und je mehr in wahrem Erkennen der er-
kennende Geist liebt, desto mehr wird er erkannt und geliebt. Und
ist ja erkennende Liebe das eigentliche, das innigste und zugleich
freieste, das wahrste und froheste Besitzen, so besagt wirksame
geistige Liebe: in immer mehr erkennender Hingabe sich in den
andern verwandeln, wachsend und sich weitend gleichsam sein
eines Selbstsein vervielfältigen, und zugleich, vom anderen erkannt,
den andern in sich umwandeln, sein Selbst auch im anderen sich
verwirklichen sehen, gleichsam sein Anderssein in anderen sich
gleichgestalten. Doch wird zwischen Menschen in solchem gegen-
 
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