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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0056
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Elisabeth Bohnen stad t :

einzelne teilhaftig. Es haben dabei alle Glieder der einen Kirche
besondere Einzelämter und Aufgaben. Denn ist wohl die Kirche
im letzten der eine mystische Leib Christi, so ordnete doch Gott
für hier und jetzt, wie er für gut fand, den einzelnen Gliedern
dieses Körpers als jeweils für ihren Dienst die besten, verschiedene
Aufgaben zu. Die Zierde des einen ist nicht dem andern angemes-
sen, sondern jedes sucht seine eigene und lehnt fremde ab. Und es
wendet seinen Dienst weniger an sich als vielmehr an die gegen-
seitige Nützlichkeit. Über das Gute und den Ruhm des einen
Gliedes frohlocken gleicherweise alle, wie sie an seinem Übel ge-
meinsam leiden. Und wer sich des geringsten Gliedes annimmt,
nimmt sich Christi an; und wer sich auch über das geringste Glied
freut, freut sich letztlich über Christus, weil er in allen und jedem
Christus sieht. Wäre aber ein Glied mit seinem Dienst nicht zu-
frieden, und begehrte es, einen fremden an sich zu bringen, so zer-
störte es die ganze Ordnung des Körpers. Es muß notwendig eine
Harmonie herrschen, die viele mit einem und einen mit vielen ver-
bindet, einen als Haupt und viele als die übrigen Glieder. — Heißt
in gemeinsamem christlichen Trachten allumfassende Glaubens-
wahrheit, was alle Christusgläubigen bekennen, und muß jede als
christlich bezeichnete Lehre und als solche festgelegte Bestimmung
wie mündliche Überlieferung im Sinne der ganzen Kirche sein, so
ist darin einerseits ein bestimmter Glaubensgehalt das Verbindende.
Andererseits jedoch vermag, auch ob unserer stets unvollkommenen
Glaubensfähigkeit, in manchem eine Verschiedenheit der Meinung
gar wohl mit der Einheit, d. h. mit der Kirche, zu bestehen, wenn
nur die einzelnen verschiedenen Meinungen nicht mit anmaßender
Halsstarrigkeit, nicht bis zum sich herauslösenden Zerschneiden
des Einheitsbandes betont werden. Ein Urteil aber über den Glau-
ben zu geben ist sehr schwer. Wohl liegt in der irdisch-mensch-
lichen Veranlagung die Neigung, eine lang übliche Gewohnheit, die
man gern so festhält, als sei sie in die menschliche Natur selbst
übergegangen, als eine in sich unbedingt gültige Wahrheit zu ver-
teidigen. Und wenn so die eine Gemeinschaft ihre Prägung des
Glaubens der der anderen vorzieht, entstehen leicht nicht geringe
Uneinigkeiten. Statt einer Entzweiung jedoch derer, die sich Chri-
sten nennen, sollte vielmehr in sich zusammenschließender Über-
legung aller religiösen Bekenntnisse deren Zurückführung aus all
ihrer Verschiedenheit auf einen festen zugrundeliegenden und grund-
legenden Glaubensgehalt gesucht werden, den alle im Wesentlichen
 
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