Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 47
des christlichen Glaubens zu finden vermöchten. Ist doch nicht
nur das echte ewige Leben, die Wahrheit in sich, Gott, die eine
Sehnsucht aller geistigen Menschen: da es im Grunde nur eine
Wahrheit gibt, die wir, wenngleich hier nur in Bild und Gleichnis-
weise, zu erreichen trachten, so wird auch im Grunde überall ein
und derselbe Glaube vorausgesetzt, auf den sich alle Verschieden-
heit echter Religionsversuche zurückbringen ließe. Nicht als ob
eine genaue Gleichförmigkeit in allen Einzelheiten der Glaubens-
ausübung zu fordern wäre; das hieße den Frieden stören. Die
Gottverehrung aller verschiedenen Völker wird vielmehr gerade
durch die Verschiedenheit der Andachtsweisen und Gebräuche ge-
fördert und wachsen gemacht, wenn — unter Wahrung von Glaube
und Friede — jedes Volk in umso wacherem Wirken auf die ihm
eigene, angemessene, als auf gleichsam die Gott, seinem König,
wohlgefälligste Weise bedacht ist, wenn jedes Volk sich bemüht,
seine Verehrungsweise in Eifer und Sorgfalt immer herrlicher zu.
gestalten, daß es die anderen darin übertreffe, und so größeren
Wert vor Gott und Ruhm in der Welt gewinne. Und bei rechtem
Verständigungswillen werden alle einsehen, daß es nur eine religio,
ein an-Gott-gebundensein gibt in der Verschiedenheit der Formen
und Gebräuche43.
Bleibt das eigentliche Wesensgesetz der Kirche auch in ihrer
konjekturalen Form das des corpus Christi mysticum, eines Körpers
aufgebaut aus den in Christus Gott Verbundenen, so gehört zu
diesem Körper in seiner Verhaftung und Verwirklichung in der
Weitzeit, in und aus der sinnlichen, zeichenbedingten Erdenwirk-
lichkeit, gemäß der Gründung Christi auch wesentlich die sicht-
barmachende Bezeichnung. Diese dient zur Bekundung des
hier zeichenverbundenen Glaubenslebens selbst, zur geistig bele-
benden Umfassung der verbundenen Sinnlichkeit und Irdischkeit
überhaupt und zur vermutungsweisen Wißbarkeit des Lebens im
kirchlichen Körper. Es ist daher der ecclesia coniecturalis außer
Gott, seinem Wort, dem belebenden Geiste selbst, auch dessen
Mittel und Zeichen — zugleich unser Zeichen —, das Sakrament,
und dessen Werkzeug, der Verwalter des Sakramentes, das Priester-
tum nötig. Wird der lebendige Körper der sinnlichen Kirche —
dessen belebender Geist Christus ist — in sich betrachtet, so ge-
hört zu Wesen und Wesensaufbau derselben ein Dreierlei: Sakra-
ment, Priestertum und das gläubige Volk, die Gemeinde, die Men-
schen auf dem Wege zu Gott. So betrachtet läßt sich im beson-
des christlichen Glaubens zu finden vermöchten. Ist doch nicht
nur das echte ewige Leben, die Wahrheit in sich, Gott, die eine
Sehnsucht aller geistigen Menschen: da es im Grunde nur eine
Wahrheit gibt, die wir, wenngleich hier nur in Bild und Gleichnis-
weise, zu erreichen trachten, so wird auch im Grunde überall ein
und derselbe Glaube vorausgesetzt, auf den sich alle Verschieden-
heit echter Religionsversuche zurückbringen ließe. Nicht als ob
eine genaue Gleichförmigkeit in allen Einzelheiten der Glaubens-
ausübung zu fordern wäre; das hieße den Frieden stören. Die
Gottverehrung aller verschiedenen Völker wird vielmehr gerade
durch die Verschiedenheit der Andachtsweisen und Gebräuche ge-
fördert und wachsen gemacht, wenn — unter Wahrung von Glaube
und Friede — jedes Volk in umso wacherem Wirken auf die ihm
eigene, angemessene, als auf gleichsam die Gott, seinem König,
wohlgefälligste Weise bedacht ist, wenn jedes Volk sich bemüht,
seine Verehrungsweise in Eifer und Sorgfalt immer herrlicher zu.
gestalten, daß es die anderen darin übertreffe, und so größeren
Wert vor Gott und Ruhm in der Welt gewinne. Und bei rechtem
Verständigungswillen werden alle einsehen, daß es nur eine religio,
ein an-Gott-gebundensein gibt in der Verschiedenheit der Formen
und Gebräuche43.
Bleibt das eigentliche Wesensgesetz der Kirche auch in ihrer
konjekturalen Form das des corpus Christi mysticum, eines Körpers
aufgebaut aus den in Christus Gott Verbundenen, so gehört zu
diesem Körper in seiner Verhaftung und Verwirklichung in der
Weitzeit, in und aus der sinnlichen, zeichenbedingten Erdenwirk-
lichkeit, gemäß der Gründung Christi auch wesentlich die sicht-
barmachende Bezeichnung. Diese dient zur Bekundung des
hier zeichenverbundenen Glaubenslebens selbst, zur geistig bele-
benden Umfassung der verbundenen Sinnlichkeit und Irdischkeit
überhaupt und zur vermutungsweisen Wißbarkeit des Lebens im
kirchlichen Körper. Es ist daher der ecclesia coniecturalis außer
Gott, seinem Wort, dem belebenden Geiste selbst, auch dessen
Mittel und Zeichen — zugleich unser Zeichen —, das Sakrament,
und dessen Werkzeug, der Verwalter des Sakramentes, das Priester-
tum nötig. Wird der lebendige Körper der sinnlichen Kirche —
dessen belebender Geist Christus ist — in sich betrachtet, so ge-
hört zu Wesen und Wesensaufbau derselben ein Dreierlei: Sakra-
ment, Priestertum und das gläubige Volk, die Gemeinde, die Men-
schen auf dem Wege zu Gott. So betrachtet läßt sich im beson-