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Elisabeth Bohnenstädt:
weltliche Gewalten umschlossen. Und in solchem Betracht ist es
zu verstehen, daß dem heiligen Fürstentum in der Kirche jeder
Gläubige, ob König oder geistlicher Vorsteher, untergeordnet sein
muß, insofern er in der Kirche sein will, die von dieser allgemeinen,
umfassenden Macht umschlossen wird70.
Und wenn nun in dieser allgemeinen Kirche, in ihrer körper-
haft gliedartigen Ordnung, ein Kaiser in der Fülle der weltlichen
Herrschaftsgewalt dem römischen Bischof in seiner Weise gleich-
genannt wird — unbeschadet des Unterschiedes, der zwischen Geist-
lichem, sakramental-Priesterlichem, und Körperlichem, naturgege-
ben menschlicher Veranlagung, besteht —, so muß ja doch auch
die naturgegebene Vernunft des Menschen auf das gnadenhafte
Glaubensieben ausgerichtet sein, der christliche Kaiser seiner
christlichen Verantwortung gemäß den Körper der Gläubigen leiten.
Der Kaiser ist der Schirmherr, der Beschützer der gesamten
Kirche, der Wächter und Hüter rechten Glaubens und des Glau-
bensfriedens. Daher muß er vor allem wachsam sein, wenn Ge-
fahren für den heiligen Glauben oder sonst irgendwelche die ganze
Kirche treffende Bedrängnisse drohen. Und wie er in Notzeiten
der Vergangenheit die kirchliche Versammlung der ganzen Welt
zusammenberief, so muß er immer noch in Fällen der Dringlich-
keit dem römischen Bischof die Notwendigkeit eines Konzils ein-
leuchtend machen. Besitzt der Papst in seinem Vorsitz die Vor-
standsgewalt über die Priesterschaft, die Vorschriftsgewalt, alle
Christgläubigen zusammenzurufen, so liegt es beim Kaiser, die
Bischöfe an ihre Pflicht zu mahnen und den Laien selbst sie vor-
zuschreiben. Bei Versagen des Papstes hat der Kaiser aus seiner
eigenen Befehlgewalt das Konzil anzusagen, muß er doch ganz
allgemein zu jedem Aufbau und zur Einheit aller Christen einladen,
auffordern und das Nötige verlangen. Die zum Konzil Kommenden
hat er unter Gewährung höchster Freiheit und ohne jede Partei-
lichkeit zu schützen. Und wie seine Beauftragten ohne Überstür-
zung und Leidenschaft der Wahrung kanonischer Sitte und heiliger,
rechter Ordnung größten Bedacht widmen müssen, so steht es auch
dem Kaiser zu, aus dem Konzil Lärm und Streit zu verbannen,
die Uneinigen nach Möglichkeit wieder zur Einheit zurückzuführen.
Ist der Kaiser selbst auf dem Konzil zugegen, so liegt bei den Bich-
tern des heiligen kaiserlichen Hofes (sacri palatii) das Anwaltsamt,
alles Schwebende zum klaren Licht der Wahrheit zu fördern. Und
wie dem Priestertum anvertraut ist, über das, was sich auf den
Elisabeth Bohnenstädt:
weltliche Gewalten umschlossen. Und in solchem Betracht ist es
zu verstehen, daß dem heiligen Fürstentum in der Kirche jeder
Gläubige, ob König oder geistlicher Vorsteher, untergeordnet sein
muß, insofern er in der Kirche sein will, die von dieser allgemeinen,
umfassenden Macht umschlossen wird70.
Und wenn nun in dieser allgemeinen Kirche, in ihrer körper-
haft gliedartigen Ordnung, ein Kaiser in der Fülle der weltlichen
Herrschaftsgewalt dem römischen Bischof in seiner Weise gleich-
genannt wird — unbeschadet des Unterschiedes, der zwischen Geist-
lichem, sakramental-Priesterlichem, und Körperlichem, naturgege-
ben menschlicher Veranlagung, besteht —, so muß ja doch auch
die naturgegebene Vernunft des Menschen auf das gnadenhafte
Glaubensieben ausgerichtet sein, der christliche Kaiser seiner
christlichen Verantwortung gemäß den Körper der Gläubigen leiten.
Der Kaiser ist der Schirmherr, der Beschützer der gesamten
Kirche, der Wächter und Hüter rechten Glaubens und des Glau-
bensfriedens. Daher muß er vor allem wachsam sein, wenn Ge-
fahren für den heiligen Glauben oder sonst irgendwelche die ganze
Kirche treffende Bedrängnisse drohen. Und wie er in Notzeiten
der Vergangenheit die kirchliche Versammlung der ganzen Welt
zusammenberief, so muß er immer noch in Fällen der Dringlich-
keit dem römischen Bischof die Notwendigkeit eines Konzils ein-
leuchtend machen. Besitzt der Papst in seinem Vorsitz die Vor-
standsgewalt über die Priesterschaft, die Vorschriftsgewalt, alle
Christgläubigen zusammenzurufen, so liegt es beim Kaiser, die
Bischöfe an ihre Pflicht zu mahnen und den Laien selbst sie vor-
zuschreiben. Bei Versagen des Papstes hat der Kaiser aus seiner
eigenen Befehlgewalt das Konzil anzusagen, muß er doch ganz
allgemein zu jedem Aufbau und zur Einheit aller Christen einladen,
auffordern und das Nötige verlangen. Die zum Konzil Kommenden
hat er unter Gewährung höchster Freiheit und ohne jede Partei-
lichkeit zu schützen. Und wie seine Beauftragten ohne Überstür-
zung und Leidenschaft der Wahrung kanonischer Sitte und heiliger,
rechter Ordnung größten Bedacht widmen müssen, so steht es auch
dem Kaiser zu, aus dem Konzil Lärm und Streit zu verbannen,
die Uneinigen nach Möglichkeit wieder zur Einheit zurückzuführen.
Ist der Kaiser selbst auf dem Konzil zugegen, so liegt bei den Bich-
tern des heiligen kaiserlichen Hofes (sacri palatii) das Anwaltsamt,
alles Schwebende zum klaren Licht der Wahrheit zu fördern. Und
wie dem Priestertum anvertraut ist, über das, was sich auf den