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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0118
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Elisabeth Bohnenstädt:

und Gericht des Reiches aus erfaßt und geregelt, ausgemerzt oder
wieder in Ordnung gebracht. Z. B. müßte so mancherlei Betrug,
wie Zusammenschachern oder Zusammenstehlen von Wucherzinsen,
Würfelspiel, widerrechtliches Anmaßen von Handels- und Sonder-
rechten und anderes Derartiges, unterbunden werden; es wäre
darauf zu schauen, daß die Sonn- und Festtage wieder eingehalten,
daß die Ausschreitungen, die in Hochzeits- und Beerdigungsauf-
wand und -ausgaben, in Kostspieligkeit der Kleidung und sonsti-
gem dergleichen üblich geworden sind, wieder auf ein angepaßtes
Maß zurückgeführt würden. Wer könnte alles zu Ende aufzählen,
was sich in unserer Zeit zu Unrecht eingeführt hat und aufs un-
gerechteste verteidigt wird ? — Viel Krankheit des ganzen Rechts-
körpers entsteht auch daraus, daß die in den verschiedenen Ge-
bieten gültigen Teilgesetze in ihrer Ausrichtung nicht den allge-
meinen Gesetzen gemäß sind. Sie müssen so reformiert werden,
daß sie dem umfassend allgemeinen Gesetze, welches das Heil des
gesamten Staatswesens vorsieht und gebietet, und darin dem ur-
sprünglichen, dem ursprunghaften Ausgang und Anfang des Ge-
setzes, d. h. dem vernünftigen und natürlichen Rechte, nicht ent-
gegenstehen. Die Richter der einzelnen Gebiete sollten Zusammen-
kommen, die Rechtsgewohnheiten ihrer Gebiete aufschreiben und
im Reichskonzil vortragen, auf daß sie hier geprüft und erwogen
und soweit wie angängig auf allgemeine Üblichkeiten und Vor-
schriften zurückgeführt werden. In der H andhabung des Rechts
und im Fällen eines gerichtlichen Urteils sehen wir heute entweder
größte Verwirrung oder überhaupt nichts von Gerechtigkeit. Da
sind vor allem die spitzfindigen, ausgetüftelten Formeln überall
gänzlich auszumerzen, auf Grund deren die einfachen armen Leute
aufs ungerechteste durch Verhöhnung und Sticheleien von seiten
der Rechtsprecher von der genauen Gerichts- und Rechtsform ab-
gedrängt werden und damit die ganze Sache verlieren. Gilt doch:
Wer in einer Silbe sich verirrt, die ganze Sache damit verliert (qui
cadit a syllaba cadit a causa)*). Und aus der großen Verwirrung
*) Der Text des Gus. (CG III XXXV 816) geht weiter: wie ich es im Ge-
biete der Trierer Diözese oft beobachten konnte. Was mit causaedictor (Recht-
sprecher) gemeint ist, läßt sich vielleicht nicht ganz eindeutig wiedergeben;
dem Sinne nach bedeutet es einerseits den (staatlichen) Richter, der im staatl.
und kirchl. Gemeinschafts- und Rechtsinteresse den Grund erfragen (causam
dicere) soll, und wahrscheinlich handelt es sich hier um diesen eigentlichen
Richter. Doch wird als 'causam dicere auch die Tätigkeit des Verteidigers
bezeichnet, der für eine Partei, hier wohl die Gegenpartei, für deren Sache
spricht.
 
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