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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0122
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Elisabeth Bohnenstädt:

412
allem heute angebracht und nutzbringend zu sein, es ebenso zu
machen. Gar nötig wäre es, daß Kaiser und Reich in Kraft und
Reichtum daständen; sehen wir doch, wohin wir geraten, wenn
der Schützer der Kirche Mangel leidet. — Und sollte auch Amt
und Stand oder Verfügung aus gesetztem Recht die Kleriker um
des Friedens und dessen Dienstes willen aus der kaiserlichen Gewalt
und entsprechender Verpflichtung befreit und herausgenommen
haben, so daß die Priesterschaft dem Staate und Staatlichem über-
geordnet wäre und daß vorab der römische Rischof alle anderen in
seiner Stellung überrage: Dennoch, wenn all das, um dessentwillen
diese heilige Ordnung eingerichtet wurde, schwindet und aufhört,
wenn vielmehr mit dieser Ordnung, die längst aufgehört hat, ihren
Zweck, zu erfüllen, uns nicht mehr geholfen ist, dann wenden wir
uns ab von diesem Wege und kehren um, um das eine, gleich-
bleibende Ziel mit zeitentsprechenden Mitteln zu verfolgen! Denn
alles wurde nur zum Erhalt der heiligen Kirche selbst so aufgebaut75.
Noch besteht die Hoffnung, daß, wenn weisen Männern die
Gelegenheit zu Forschung und Tat geboten wird, in noch schlafen-
den scharfsichtigen Geistern Klärung der Lage, der Erfordernisse
gewonnen und so rechte Hilfe anerstrebt werden kann. Wenn nur
schon von dem Wenigen, was in Eile gesucht, gesammelt und
durchforscht wurde*), der Sinn all derer, die es loben, zu Wille
und Tat entflammt würde, so käme es dazu, daß in unseren Tagen
das Reich wieder neu aufblühte. Doch wenn diejenigen, welche die
Möglichkeit hätten zu wirken, zu träge sind, und wir von blinder Re-
gehrlichkeit umgarnt und überwältigt noch länger bei den schlechten
Gewohnheiten und Gewöhnungen beharren und an der alten Zerr-
gestalt vom Reich festhalten, so wird es ohne Zweifel binnen kur-
zem um das heilige Reich und um den Wohl-Restand des Staates
und all der Unsrigen vollends geschehen sein. Und die Hilfe muß
eiligst kommen! Denn eine tödliche Krankheit ist über das deut-
sche Reich hereingebrochen. Und wenn nicht sofort heilbringende
Gegenmittel angewendet werden, kommt es unweigerlich zum Tode.
Dann wird man in deutschen Landen das Reich suchen, und es
wird hier nicht mehr zu finden sein. Und in der Folge werden
Fremde sich unserer Gebiete bemächtigen, wir selbst werden unter
uns zerspalten und fremder Nation unterworfen werden76.
*) Cusanus redet so am Schlüsse der Conc. cath.
 
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