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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0139
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Cusanus-Studien: III. Kircheu. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 129

der Aufeinanderfolge seiner Ausführungen eine Scheidung zwischen Staat über-
haupt und dem deutschen Reiche aufrechterhalten hätte. Die immer wieder
mit genauen Verweisungen angegebene wichtigste Autorität ist Aristoteles
(besonders Politica), daneben stehen Plato (Politeia), Cicero [De officiis),
Thomas v. Aquin und Ägidius von Rom. Steht Nikolaus von Cues also auch
hierin ganz in der Tradition, so doch auch hierin in eigener Art, die auf der
einen Seite wesenhaft mittelalterlicher Kirchenauffassung treu bleibt und
andererseits von solcher Grundstellung aus höchstes, weitestes und urtümlich
lebendiges Verstehen und Anerkennen für Eigenwert und Vollwert des Staates
in sich trägt. Nur das sei hier schon erwähnt: Im Unterschiede zu scheuen
Wiedergaben hierarchischer Einteilung gemäß der im scholastischen M.A.
üblichen Erfassung eines geistlich-hierarchisch bestimmten Stufenkosmos weist
hier Empfinden und Erkennen ohne Zagen auf die eigentliche Einteilung der
Welt (d. h. in Bezug auf den Menschen: des geordneten Gemeinwesens über-
haupt) nach weise und unverständig, seelisch-geistiger Einzelkraft und Einzel-
unkraft. Und ist der Weise die erwachteste, vernunfthaft reichste und stärkste
Stimme der Natur, so baut sich auf solcher Einteilung die natürliche Ordnung
auf: die nach Führer und Geführten; und dies ist wesentlich Staats- und
Reichsordnung. Dies rein menschliche Führertum erhebt sich aus der Natur
heraus und kündet von sich aus von Gott, auf den es im Gehorsam gegen die
Natur hinzielt. — Die cusanische Staatsauffassung ist nicht liberalistisch, als
ob nur das Gesetz bestimme, auch nicht absolutistisch, einem Tyrannenwillen
das Wort sprechend. Der Fürst steht noch in der heiligen Sicht des frommen
Mittelalters, dem noch in starkem Maße das Heiligtum und Heiltum des König-
seins bewußt war. Der Fürst ist Sinnbild, in besonderer Weise Abbild des
absoluten, lebendigen Schöpfergottes, der aus freiestem Willen wirkt, der die
in sich umfaßte Schöpfung als sein Bild offenbaren will, um durch, sie sich
selbst kundzutun, mitzuteilen, als Ziel zu zeigen. Und wie bei jedem leben-
digen Menschen ist vor allem beim König die eigentliche Aufgabe des freien
Willens die, mit dem Willen Gottes immer mehr gleichförmig zu werden. In
aller Betonung der Führerschaft möchte Nikolaus von Cues aber auch immer
wieder auf letzte prinzipielle Wesens- und Rechtsgleichheit aller zurückweisen
und diese beachtet wissen und in allem die weitgehenden Rechte eines in
echtem Leben und Streben stehenden Volkes gewahrt sehen.
57 C.C. II XIV 730, XVIII 741, XIX 743, XXXII 766, 67; III Pr.
776, 77, 78, IV 785.
58 Ber. XV 270, XVI 270, XVIII 272; C.C. III IV 785, XLI 824.
Das Grundthema des Beryll ist der Zusammenfall der Gegensätze in
vorausgehender Ursprungseinheit von allem; oder eigentlicher: jene „Brille“
will uns diesen Zusammenfall alles Gegensätzlichen in unserer erdgegebenen
Abbildsphäre und der uns angemessenen Gleichnisweise sichtbar machen. Die
Veranschaulichung geschieht einmal und vorwiegend in mathematischem Bild.
Daneben aber, wenn auch nicht so oft und viel zur Sprache kommend, so doch
dafür mit besonderer Sinnnähe und Kraft und immer wieder auftauchend steht
das Bild des den Staat und alles Staatsleben umfassenden Herrschers, dessen
willensbestimmte Vernunft und vernunftgeleiteter Wille der schöpferische
Maßstab für die Ausfaltung des Staatslebens ist.

9 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1938/39. 3. Abb.
 
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