Metadaten

Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0011
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Paulus auf dem Areopag.

11

sehen, nicht bei der geschichtlichen Interpretation des Motivs.
Denn die politischen Staatsgrenzen, auf die es der geschichtlichen
Erklärung ankommen würde, sind kein Gottesbeweis. Wohl aber
ist die sinnvolle Gruppierung der Menschen auf der bewohnbaren
Bodenfläche ein Beweis für die Existenz einer Vorsehung. Der Ab-
lauf der Völkerepochen wird zwar von der Apokalyptik als Offen-
barung der göttlichen Macht angesehen; ein rationaler Gottes-
beweis aber ist die Folge von Nationen keineswegs, denn sie bleibt
rätselvoll und dunkel. Man kann ihr Ziel und Ende wohl prophe-
tisch ahnen, aber nicht schon jetzt, vor der Endzeit, mit dem Ver-
stände erkennen. Dagegen sind die Jahreszeiten ein oft angeführter
Beweis für Gottes Weltregierung. Und sie werden in dem bereits
erwähnten Gottesbeweis bei Cicero, Tusculanae disp. I 68 unter
anderem auch mit der Teilung der Erde in unbewohnbare und
bewohnbare Zonen zusammen genannt1 —- das ist gerade der Be-
weis, der von der sinnvollen Einrichtung von Zeiten und Zonen
auf den Urheber schließt, und den auch der Areopagredner an-
deuten will!
Übrigens paßt auch die Bezeichnung προστεταγμένοι erheblich
besser zu den Jahreszeiten als zu den Völkerepochen. Denn fest-
gesetzt, nach immer gültiger allgemein erkennbarer Ordnung, sind
die Jahreszeiten2; was hier προστεταγμένοι heißt, hat Plato (Le-
ges X 886a) so ausgedrückt: τά των ωρών διακεκοσμημένα καλώς
ούτως, ένιαυτοΐς τε καί μησίν διεί,λημμένα und diese Verteilung
gilt ihm neben dem Kosmos als vornehmster Beweis für die Exi-
stenz der Götter. Die Völkerepochen dagegen könnten kaum in
diesem Sinn mit ähnlicher Selbstverständlichkeit verwendet wer-
den, weil die Ordnung ihres Ablaufs nicht ersichtlich ist, sondern
nur von Gott vorher bestimmt, und so erklärt sich die Lesart προ-
τεταγμένους in der Areopagrede (s. oben S. 4 A. 1). Was hier
durch das Partizipium ausgedrückt wird, ist bei den Siedlungs-
zonen mit οροθεσία gesagt: Gott hat festgesetzte Jahreszeiten und
1 Auch sonst werden im Gottesbeweis die Jahreszeiten und der Boden
samt seinen Erträgnissen zusammen erwähnt, so bei Arat, in demselben
Gedicht, dessen Y. 5 in der Areopagrede 17, 28 zitiert wird, V. 7—9: Zeus
sagt, wann der Boden zum Pflügen geeignet sei und δτε δέξιαί. ωραι καί φυτά
γυρώσαι καί σπέρματα πάντα βαλέσθαι. Vgl. I. Giern. 204 γη κυοφορούσα κατά το·
θέλημα αύτου τοΐς ίδίοις καιροΐς την πανπληθη .... άνατέλλει τροφήν.
2 I. Clem. 404 wird mit τοΐς προστεταγμένοις καιροΐς der vorher in 40ä
gebrauchte Ausdruck ώρισμένοις καιροΐς καί ώραις aufgenommen. Gemeint
sind beidemal die regelmäßigen Opferzeiten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften