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Martin Dibelius:
abgegrenzte Wohngegenden bestimmt, und beides soll die Men-
schen zum Suchen Gottes antreiben.
Zum Suchen — denn das wirkliche und völlige Finden Gottes
bleibt, wie wir sahen, fraglich. Und diese Unsicherheit wird nicht
als beschämend, sondern als notwendig empfunden1; daran kann
auch der im folgenden neben εύρίσκειν stehende starke Ausdruck
ψηλαφαν 'betasten’ nichts ändern. Daß gerade im Gottesbeweis so
geredet wird, als könne man Gott in der oder jener Naturerschei-
nung „mit Händen greifen“, kommt auch sonst vor, und zwar
gerade in dem Gottesbeweis aus der Natur2.
So bestätigt sich das Ergebnis, daß die Areopagrede von einem
Suchen Gottes redet, zu dem der Mensch durch die zeitliche und
räumliche Regelung seines Lebens gebracht wird. Es fragt sich,
ob man die so gewonnene Entscheidung auch auf den Anfang der
Darstellung V. 26 übertragen darf. Dann wären die Worte έποίησέν
τε έξ ένος παν έθνος άνθρώπων κατοικεΐν έπΐ παντός προσώπου τής
γής auf die Menschheit und nicht auf die Nationen zu be-
ziehen. Das scheint mir in der Tat der Fall zu sein. Die ganze
Stelle muß einheitlich verstanden werden; man kann den Redner
nicht gut hier von den Völkern reden lassen und hernach von den
Jahreszeiten. Man würde bei der geschichtlich-politischen Deutung
auch schwer verstehen, warum der Genitiv άνθρώπων zu παν έθνος
gesetzt wird. Wenn aber das Menschengeschlecht gemeint ist, so
erklärt sich der Genetiv aus der Gewohnheit, auch von den έθνη
der Bienen oder Vögel3 zu sprechen. Auch die bei Clemens und
Irenaeus bezeugte Lesart γένος für έθνος weist ebenso wie die
Lesung bei D άνθρώπου auf das philosophische Verständnis des Aus-
drucks: παν έθνος άνθρώπων bezeichnet das ganze menschliche
Geschlecht.
Vollends entscheidend aber scheint mir eine andere Erwägung
zu sein. Die Worte έποίησέν τε έξ ένος παν έθνος άνθρώπων κατοικεΐν
κτλ. wollen Gott, der vorher als Schöpfer Himmels und der Erden
verkündet ist, nun auch als Schöpfer der Menschen hinstellen. Das
1 Philo schildert De posteritate Caini 15, wie aus der ζήτησις nach
dem ov das größte Gut entsteht: καταλαβεΐν δτι ακατάληπτος δ κατά τδ είναι θεός
παντί Ά αύτδ τούτο ίδεΐν δτι έστίν αόρατος.
* Vgl. Corp. Hermeticum 52 νόησιν λαβεΐν, ίδεΐν καί λαβέσθαι αύταϊς ταΐς
χερσί δύνασαι καί την εικόνα του θεού θεάσασθαι und dazu Norden, Agnostos
Theos, lGf.
3 Bereits Theodor Zahn hat in seinem Kommentar außer auf Prov.
30, 26 auf Homer B 87. 459 verwiesen.
Martin Dibelius:
abgegrenzte Wohngegenden bestimmt, und beides soll die Men-
schen zum Suchen Gottes antreiben.
Zum Suchen — denn das wirkliche und völlige Finden Gottes
bleibt, wie wir sahen, fraglich. Und diese Unsicherheit wird nicht
als beschämend, sondern als notwendig empfunden1; daran kann
auch der im folgenden neben εύρίσκειν stehende starke Ausdruck
ψηλαφαν 'betasten’ nichts ändern. Daß gerade im Gottesbeweis so
geredet wird, als könne man Gott in der oder jener Naturerschei-
nung „mit Händen greifen“, kommt auch sonst vor, und zwar
gerade in dem Gottesbeweis aus der Natur2.
So bestätigt sich das Ergebnis, daß die Areopagrede von einem
Suchen Gottes redet, zu dem der Mensch durch die zeitliche und
räumliche Regelung seines Lebens gebracht wird. Es fragt sich,
ob man die so gewonnene Entscheidung auch auf den Anfang der
Darstellung V. 26 übertragen darf. Dann wären die Worte έποίησέν
τε έξ ένος παν έθνος άνθρώπων κατοικεΐν έπΐ παντός προσώπου τής
γής auf die Menschheit und nicht auf die Nationen zu be-
ziehen. Das scheint mir in der Tat der Fall zu sein. Die ganze
Stelle muß einheitlich verstanden werden; man kann den Redner
nicht gut hier von den Völkern reden lassen und hernach von den
Jahreszeiten. Man würde bei der geschichtlich-politischen Deutung
auch schwer verstehen, warum der Genitiv άνθρώπων zu παν έθνος
gesetzt wird. Wenn aber das Menschengeschlecht gemeint ist, so
erklärt sich der Genetiv aus der Gewohnheit, auch von den έθνη
der Bienen oder Vögel3 zu sprechen. Auch die bei Clemens und
Irenaeus bezeugte Lesart γένος für έθνος weist ebenso wie die
Lesung bei D άνθρώπου auf das philosophische Verständnis des Aus-
drucks: παν έθνος άνθρώπων bezeichnet das ganze menschliche
Geschlecht.
Vollends entscheidend aber scheint mir eine andere Erwägung
zu sein. Die Worte έποίησέν τε έξ ένος παν έθνος άνθρώπων κατοικεΐν
κτλ. wollen Gott, der vorher als Schöpfer Himmels und der Erden
verkündet ist, nun auch als Schöpfer der Menschen hinstellen. Das
1 Philo schildert De posteritate Caini 15, wie aus der ζήτησις nach
dem ov das größte Gut entsteht: καταλαβεΐν δτι ακατάληπτος δ κατά τδ είναι θεός
παντί Ά αύτδ τούτο ίδεΐν δτι έστίν αόρατος.
* Vgl. Corp. Hermeticum 52 νόησιν λαβεΐν, ίδεΐν καί λαβέσθαι αύταϊς ταΐς
χερσί δύνασαι καί την εικόνα του θεού θεάσασθαι und dazu Norden, Agnostos
Theos, lGf.
3 Bereits Theodor Zahn hat in seinem Kommentar außer auf Prov.
30, 26 auf Homer B 87. 459 verwiesen.