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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0013
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Paulus auf dem Areopag.

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ist alttestamentliche und christliche Predigt. Das Wort ποιεΐν be-
zeichnet in diesem Zusammenhang das Schaffen; in der LXX ist
es bei der Schöpfung des Menschen Gen. 1, 27 nicht weniger als
dreimal für das hebr. bard gebraucht, während κτίζειν in der
LXX in dieser Bedeutung und als Äquivalent für bard nur spär-
lich verwendet wird1. Man hat also zu übersetzen „und er schuf
aus einem einzigen das ganze Geschlecht der Menschen“. Davon
hängt dann ein finaler Infinitiv ab genau wie ζητεΐν im nächsten
Vers. Gott hat das Menschengeschlecht geschaffen, daß sie auf
der Erde wohnen; die Absicht Gottes war die Besiedlung der Erde
durch die vielen. Angesichts der Bedeutung von ποιεΐν im Schöp-
fungsakt erheben sich beträchtliche Zweifel gegen die häufig ver-
tretene Übersetzung: Gott hat es so eingerichtet, daß alle Nationen
auf der Erde wohnen sollten. Dagegen spricht der Gebrauch des
Wortes ποιεΐν; dagegen spricht aber auch das vorangestellte
εξ ενός, das bei dieser Fassung einigermaßen in der Luft hängt:
„daß alle Nationen der Menschen von einem her auf der Erde
wohnen sollten“ klingt nicht überzeugend; man würde bei έξ ενός
-ein Partizipium erwarten. Dagegen gibt die andere Fassung einen
guten Sinn: „Gott hat aus einem einzigen das ganze Geschlecht
der Menschen geschaffen“. Bei dieser Fassung mußte έξ ενός vor-
anstehen, um mit παν konfrontiert zu werden; bei dieser Fassung
ist keine Ergänzung nötig2, denn jeder ergänzt άνθρώπου; bei
dieser Fassung ist der Sinn eindeutig, denn was betont wird, ist
die Abstammung der ganzen Menschheit von einem. Der Gedanke
beruht selbstverständlich auf den Erzählungen des Alten Testa-
1 Häufiger steht κτίζειν „schaffen“ in den Büchern des Siraciden und
der Sapientia Salomönis. Und gerade das ist bezeichnend, dort herrscht grie-
chischere Ausdrucksweise!
2 Nicht nur D und Irenaeus, sondern die große Masse der Texte, die sog.
Koine-Rezension, liest bekanntlich έξ ενός αίματος. Dadurch wird die „schla-
gende“ Kraft der Gegenüberstellung έξ ένός — παν γένος ανθρώπων ver-
dorben, und schon darum dürfte α'ίματος als Zusatz zu betrachten sein. Frag-
lich ist nur, ob lediglich eine harmlose Ergänzung von ενός vorliegt, oder ob
ein bestimmtes Verständnis der Stelle dahinter steht. Da zwei andere Vari-
anten dieses Verses, προτεταγμένους und κατά τήν οροθεσίαν, das geschicht-
lich-politische Verständnis zu vertreten scheinen, so könnte man vermuten,
daß auch diese Lesart auf das gleiche Verständnis weise: aus einem Geblüt
■— alle Völker der Erde. Aber sicher auszumachen ist das nicht. Es ist übri-
gens keine alttestamentliche Ausdrurksweise; wohl aber im Griechischen
üblich und auch von Josephus gebraucht s. Behm in Kittels Theol. Wörter-
buch I 172.
 
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