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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0036
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Martin Dibelius:

zur Genüge, daß sie ein sinnvolles Ganze darstellt, das hier sinnvoll
zu Ende geht. Wer also etwas vermißt, muß sich damit beschei-
den, daß das Vermißte nach des Autors Willen hier nicht zur
Sprache kommen sollte. Und darin liegt wieder ein Problem der
Rede.
IV.
Was wir vor uns haben, ist eine hellenistische Rede von
der wahren Gotteserkenntnis. Es ist natürlich keine Rede, die
so mündlich vorgetragen werden könnte. Sie umfaßt nur 10 Verse
und ihr Vortrag nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Aber sie
ist auch nicht eine bloße Inhaltsangabe. Sie zeigt durchaus den
Stil einer zu haltenden Rede. Sinnvoll berühren sich Anfang und
Ende, lebendig ist Anrede und Beweisführung, zum Sprechen ge-
eignet die Gliederung der Sätze, rhetorisch geschmückt manche
Gruppierung der Worte1. Nur enthält die Rede statt ansgeführter
Gedanken lediglich Motivgruppen, und jedes Motiv vertrüge und
verdiente es, einige Minuten lang im Vortrag ausgesponnen zu wer-
den. Die Motive sind uns nach Analogien aus der hellenistischen
Philosophie verständlich geworden. Wenn die Interpretation nur
den Andeutungen folgt, die in den Motiven selbst liegen, wenn sie
es verschmäht, beständig nentestamentliche Parallelen heranzu-
ziehen, die im Grunde einem anderen Gedankenkreis angehören,
so kann ihr Ergebnis nur dieses sein: die Areopagrede ist eine helle-
nistische Rede mit christlichem Schluß; ihr Thema ist die Gottes-
erkenntnis, zu der jeder Mensch gelangen kann, denn die Stellung
des Menschen in der Welt und die Gottverwandtschaft seiner Natur
muß ihn dazu führen. Von dem Anspruch der christlichen Bot-
schaft, die wahre Gotteserkenntnis erst durch Offenbarung zu be-
sitzen und mitteilen zu können, wird nichts gesagt. Die Buße, zu
der die Hörer am Schluß aufgerufen werden, soll natürlich christ-
lich verstanden werden. Nach den Andeutungen der Rede aber
besteht die Buße letztlich in der Besinnung auf jene Gotteserkennt-
nis, die dem Menschen von Natur eigen ist2. Und lediglich als
Motiv dieser Buße wird ganz zuletzt das bevorstehende Gericht
durch den Auferstandenen genannt. So erweist sich die Areopag-
rede in ihrem — auf das Ganze gesehen — rationalen Charakter
1 Paronomasie: πάντας πανταχοΰ 17, 30; Parechese: ζωήν καί πνοήν 17,
25; Alliteration πίστιν παρασχών πασιν 17, 31.
2 Vgl. Birt, Rhein. Museum 1914, 372 Anm.
 
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