Paulus auf dem Areopag.
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nissen1. Eine Gerichtsrede, eine Verteidigung vor Richtern, ist die
Areopagrede sicher nicht2. Sie redet weder von einer Anklage noch
von einem bevorstehenden Urteil. Auch enthält sie wesentlich
Verkündigung, redet aber nicht von dem Recht des Redners, dies
zu verkündigen und erst recht nicht von der sittlichen Unbedenk-
lichkeit oder der politischen Ungefährlichkeit dieser Predigt. End-
lich wird weder am Anfang eine Verhaftung berichtet3 noch am
Schluß eine Entscheidung; ja der sehr unbestimmte Vers 17, 33
berichtet nicht einmal eine Entlassung.
Umso eher könnte man meinen, Paulus habe, im Kreis der
Areopagiten, auf der Agora vor der Stoa Basileios stehend, zum
Volk der Athener gesprochen, also etwa in der Stellung, in der ihn
Raffaels Teppichkarton im Kensington-Museum in London zeigt.
Zur Begründung pflegt man darauf hinzuweisen, daß der Areopag-
hügel selbst gar keinen Raum für die Menge der Zuhörer biete7
daß also die Szene an einem geeigneteren Ort zu lokalisieren sei.
Aber der Bericht der Apostelgeschichte erzählt gar nicht von einer
großen Menge. Und selbst wenn es sich um mehr als zwanzig Men-
schen handeln sollte, so fänden sie zwar nicht oben auf dem Hügel
Platz, wohl aber auf dem hochgelegenen breiten Sattel im Süd-
osten des Areopags. Dort fällt der Hügel nicht so steil ab wie nach
Norden und Osten; dort, also zwischen Areopag und Akropolis,
fände eine beträchtliche Anzahl Menschen einen auch zum Hören
1 Vgl. Cicero De natura Deorum II 74 si quis dicat Atheniensium rem,
publicam consilio regi, desit illud 'Arii pagi und die neueste Darstellung bei
Lake, Beginnings of Christianity IV 212f. Dort ist weitere Literatur an-
gegeben.
2 Es scheint mir nicht überflüssig zu sein, dies noch einmal kurz auszu-
führen (s. oben), nachdem Karl Bornhäuser, Studien zur Apostelgeschichte,
1934, 139f. die Rede als eine Verteidigungsrede vor Gericht erklärt hat. Er
deutet έπιλαβόμενοι 17, 19 auf Verhaftung, die Fragen 17, 19. 20 als Verhör
(dann wäre aber die Anmerkung 17, 21 sehr unangebracht!). — Ernst Cur-
nus, Stadtgeschichte von Athen 262f. bezeichnet die ganze Szene als Vor-
verhandlung, auf Grund deren der Rat der Areopagiten die Klage nicht an-
nimmt, andernfalls wäre es zur Verhandlung auf dem Hügel gekommen.
3 Natürlich kann έπιλαβόμενοι eine Gewaltsamkeit bezeichnen, aber
notwendig ist das nicht. Und wenn eine amtliche Festnahme gemeint wäre,
würden die verhaftenden Amtspersonen genannt sein. Statt dessen lesen wir
von einer nicht weiter benannten 3. Person Plur. έπιλαβόμενοι 8ε ... . ηγαγον.
Wer das ist, wird nicht gesagt — aber sicher ist es kein Beauftragter der
Behörde.
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nissen1. Eine Gerichtsrede, eine Verteidigung vor Richtern, ist die
Areopagrede sicher nicht2. Sie redet weder von einer Anklage noch
von einem bevorstehenden Urteil. Auch enthält sie wesentlich
Verkündigung, redet aber nicht von dem Recht des Redners, dies
zu verkündigen und erst recht nicht von der sittlichen Unbedenk-
lichkeit oder der politischen Ungefährlichkeit dieser Predigt. End-
lich wird weder am Anfang eine Verhaftung berichtet3 noch am
Schluß eine Entscheidung; ja der sehr unbestimmte Vers 17, 33
berichtet nicht einmal eine Entlassung.
Umso eher könnte man meinen, Paulus habe, im Kreis der
Areopagiten, auf der Agora vor der Stoa Basileios stehend, zum
Volk der Athener gesprochen, also etwa in der Stellung, in der ihn
Raffaels Teppichkarton im Kensington-Museum in London zeigt.
Zur Begründung pflegt man darauf hinzuweisen, daß der Areopag-
hügel selbst gar keinen Raum für die Menge der Zuhörer biete7
daß also die Szene an einem geeigneteren Ort zu lokalisieren sei.
Aber der Bericht der Apostelgeschichte erzählt gar nicht von einer
großen Menge. Und selbst wenn es sich um mehr als zwanzig Men-
schen handeln sollte, so fänden sie zwar nicht oben auf dem Hügel
Platz, wohl aber auf dem hochgelegenen breiten Sattel im Süd-
osten des Areopags. Dort fällt der Hügel nicht so steil ab wie nach
Norden und Osten; dort, also zwischen Areopag und Akropolis,
fände eine beträchtliche Anzahl Menschen einen auch zum Hören
1 Vgl. Cicero De natura Deorum II 74 si quis dicat Atheniensium rem,
publicam consilio regi, desit illud 'Arii pagi und die neueste Darstellung bei
Lake, Beginnings of Christianity IV 212f. Dort ist weitere Literatur an-
gegeben.
2 Es scheint mir nicht überflüssig zu sein, dies noch einmal kurz auszu-
führen (s. oben), nachdem Karl Bornhäuser, Studien zur Apostelgeschichte,
1934, 139f. die Rede als eine Verteidigungsrede vor Gericht erklärt hat. Er
deutet έπιλαβόμενοι 17, 19 auf Verhaftung, die Fragen 17, 19. 20 als Verhör
(dann wäre aber die Anmerkung 17, 21 sehr unangebracht!). — Ernst Cur-
nus, Stadtgeschichte von Athen 262f. bezeichnet die ganze Szene als Vor-
verhandlung, auf Grund deren der Rat der Areopagiten die Klage nicht an-
nimmt, andernfalls wäre es zur Verhandlung auf dem Hügel gekommen.
3 Natürlich kann έπιλαβόμενοι eine Gewaltsamkeit bezeichnen, aber
notwendig ist das nicht. Und wenn eine amtliche Festnahme gemeint wäre,
würden die verhaftenden Amtspersonen genannt sein. Statt dessen lesen wir
von einer nicht weiter benannten 3. Person Plur. έπιλαβόμενοι 8ε ... . ηγαγον.
Wer das ist, wird nicht gesagt — aber sicher ist es kein Beauftragter der
Behörde.