Paulus auf dem Areopag.
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Areopagrede ist (neben dem kleinen Redestück Act. 14, 15—17)
die einzige Heidenpredigt des Paulus, die in dem Buch der Apostel-
geschichte mitgeteilt wird: so wäre also der größte Heidenapostel
in dieser Darstellung seines Wirkens nur durch eine Rede an die
Heiden vertreten, die einen Mißerfolg gehabt hätte und die, wie
dem Apostel selbst bewußt gewesen wäre, als mißraten anzusehen
sei. Mir scheint, hier wird für die Geschichtlichkeit der Areopag-
rede ein zu hoher Preis gezahlt! Nein, Lukas hat diese Rede als
Beispiel einer vorbildlichen Heidenpredigt geschaffen und sie nach
Athen verlegt, ohne sich durch den tatsächlich geringen Erfolg des
Paulus in Athen daran hindern zu lassen.
Er hat aber auch, wie wir sahen, die erzählende Einleitung
dieser Rede wenigstens zum größten Teil geschaffen, denn sie ist
auf die Rede hin entworfen und darf mit ihrem Eingehen auf die
Besonderheiten des Ortes ebenfalls als einzigartiges Stück beurteilt
werden. Es erhebt sich nun die Frage, ob in dem ganzen Athen
behandelnden Abschnitt Spuren des Itinerars1 — oder wie
man die dem Verfasser vorliegende Aufzeichnung nennen will —
zu finden sind. In der einleitenden Szene fällt ein Satz auf, der
nicht die literarische Kunst der übrigen Darstellung zeigt, son-
dern schlicht und zusammenfassend die Tätigkeit des Paulus in
Athen beschreibt, 17, 17: διελέγετο μέν ούν έν τη συναγωγή τοΐς
’ Ιουδαίοις καί τοΐς σεβομένοι,ς καί έν τή άγορα κατά πάσαν ημέραν
προς τούς παρατυγχάνοντας. Das ist die Art, wie die Apostel-
geschichte, zweifellos jener Niederschrift folgend, auch sonst die
Predigttätigkeit des Paulus beschreibt: das Verbum δίαλέγεσθαι
wird in Thessalonike, Korinth, Ephesus und Troas gebraucht (17, 2;
18, 4. 19; 19, 8. 9; 20, 7. 9)2. Auch die Synagoge wird in diesen
Zusammenhängen regelmäßig, außer in Troas, genannt; die Er-
wähnung der Agora ist eine Besonderheit des Berichts über Athen,
1 Die Behandlung der Fragen, ob das Itinerar von demselben Verfasser
stammte und ob das „wir“ schon immer im Text dieser Quelle stand oder
erst bei der Abfassung der Apostelgeschichte eingefügt wurde, versage ich
mir, weil ihre Beantwortung für meine Untersuchung belanglos ist.
2 In der Darstellung der ersten Missionstätigkeit des Apostels Act, 13. 14
stehen andere Worte zur Bezeichnung der Predigt: λόγος τοϋ θεού auf Zypern
13, 7, λαλεΐν in Ikonium 14, 1, εύαγγελίζεσθαι in Lystra und Derbe 14, 7. 21.
Aber das erste Wort steht im Rahmen einer selbständigen Erzählung (von
dem Magier) und εύαγγελίζεσθαι ist ein Lieblingswort des Lukas, also viel-
leicht von ihm eingesetzt; jedenfalls sind für das Itinerar diese Ausdrücke
nicht mit Sicherheit in Anspruch zu nehmen.
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Areopagrede ist (neben dem kleinen Redestück Act. 14, 15—17)
die einzige Heidenpredigt des Paulus, die in dem Buch der Apostel-
geschichte mitgeteilt wird: so wäre also der größte Heidenapostel
in dieser Darstellung seines Wirkens nur durch eine Rede an die
Heiden vertreten, die einen Mißerfolg gehabt hätte und die, wie
dem Apostel selbst bewußt gewesen wäre, als mißraten anzusehen
sei. Mir scheint, hier wird für die Geschichtlichkeit der Areopag-
rede ein zu hoher Preis gezahlt! Nein, Lukas hat diese Rede als
Beispiel einer vorbildlichen Heidenpredigt geschaffen und sie nach
Athen verlegt, ohne sich durch den tatsächlich geringen Erfolg des
Paulus in Athen daran hindern zu lassen.
Er hat aber auch, wie wir sahen, die erzählende Einleitung
dieser Rede wenigstens zum größten Teil geschaffen, denn sie ist
auf die Rede hin entworfen und darf mit ihrem Eingehen auf die
Besonderheiten des Ortes ebenfalls als einzigartiges Stück beurteilt
werden. Es erhebt sich nun die Frage, ob in dem ganzen Athen
behandelnden Abschnitt Spuren des Itinerars1 — oder wie
man die dem Verfasser vorliegende Aufzeichnung nennen will —
zu finden sind. In der einleitenden Szene fällt ein Satz auf, der
nicht die literarische Kunst der übrigen Darstellung zeigt, son-
dern schlicht und zusammenfassend die Tätigkeit des Paulus in
Athen beschreibt, 17, 17: διελέγετο μέν ούν έν τη συναγωγή τοΐς
’ Ιουδαίοις καί τοΐς σεβομένοι,ς καί έν τή άγορα κατά πάσαν ημέραν
προς τούς παρατυγχάνοντας. Das ist die Art, wie die Apostel-
geschichte, zweifellos jener Niederschrift folgend, auch sonst die
Predigttätigkeit des Paulus beschreibt: das Verbum δίαλέγεσθαι
wird in Thessalonike, Korinth, Ephesus und Troas gebraucht (17, 2;
18, 4. 19; 19, 8. 9; 20, 7. 9)2. Auch die Synagoge wird in diesen
Zusammenhängen regelmäßig, außer in Troas, genannt; die Er-
wähnung der Agora ist eine Besonderheit des Berichts über Athen,
1 Die Behandlung der Fragen, ob das Itinerar von demselben Verfasser
stammte und ob das „wir“ schon immer im Text dieser Quelle stand oder
erst bei der Abfassung der Apostelgeschichte eingefügt wurde, versage ich
mir, weil ihre Beantwortung für meine Untersuchung belanglos ist.
2 In der Darstellung der ersten Missionstätigkeit des Apostels Act, 13. 14
stehen andere Worte zur Bezeichnung der Predigt: λόγος τοϋ θεού auf Zypern
13, 7, λαλεΐν in Ikonium 14, 1, εύαγγελίζεσθαι in Lystra und Derbe 14, 7. 21.
Aber das erste Wort steht im Rahmen einer selbständigen Erzählung (von
dem Magier) und εύαγγελίζεσθαι ist ein Lieblingswort des Lukas, also viel-
leicht von ihm eingesetzt; jedenfalls sind für das Itinerar diese Ausdrücke
nicht mit Sicherheit in Anspruch zu nehmen.