Gahmuret, Quellenstudien zu Wolframs Parzival
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Frankreich, wohl noch im 12. Jahrhundert1, eine Übersetzung ins
Französische gefunden. Ich habe oben S. 48 A. auf eine auffallende
Übereinstimmung im Parzivaltexte, wo er in die Erzählung der
morgenländischen Kämpfe Gahmurets eine geschichtliche Betrach-
tung einschaltet, mit dem Texte Wilhelms von Tyrus hingewie-
sen, der dieselbe Betrachtung bei der Erzählung der geschichtlichen
Urbilder von Wolframs Bericht anstellt. Vgl. auch, was Parz. 13.
13 ff. von der überragenden Stellung des baruc von Baldac gesagt
ist, mit Wilhelm von Tyrus XIX. 13: Adierat (Siraconus d. h.
Schirkuh) illum maximum Saracenorum principem, qui quasi singu-
laris monarcha, cunctis excellentior, omnibus praeesse intellegitur,
calipham videlicet de Baldac. (Die französische Übersetzung lautet
hier allerdings viel dürftiger: Siracons . . . estoit alez au souverein
prince de touz les Sarrazins.) Wolframs Darlegung sieht aus wie
eine Verbindung von W. v. Tyrus mit Otto von Freising, auf
den Heinzel a.a.O. 8 verweist. Es könnte ganz wohl sein, daß
der Dichter die Chronik in ihrer französischen Übersetzung gelesen
hätte. Sein Werk zeigt manche Spur davon, mit welch leiden-
schaftlichem Anteil er jeder Art Kunde aus dem Morgenlande auf-
getan war. Und so könnte man denn überhaupt auszusprechen
wagen, daß Wolfram ungefähr sein eigenes Bemühen beschrieben
habe, wenn er von seinem fabelhaften Kyot versichert 455. 9:
er las der lande chronica
ze Britäne und anderswä,
ze Francriche und in Irlant:
ze Anschouwe er diu maere vant.
Eines ist noch wichtig herauszuheben. Daß die Anleihen bei
französischer Dichtung innerhalb unserer Vorgeschichte von nie-
mand anders als Wolfram selbst hereingeholt wurden, beweist
noch die Art, in der die Vorlagen benutzt sind. Wer die oben
gegebenen Vergleichungen an Hand der beiderseitigen Texte ver-
folgen mochte, konnte sich überzeugen, daß die Art der Benutzung
dieselbe ist, die wir bei einer Vergleichung des Parzival-Hauptteiles
oder des Willehalms mit ihren französischen Vorlagen beobachten.
Der Anschluß ist öfter inhaltlich sehr genau, ja er reicht nicht
1 So Gröber, ebd. 721. — „Quam ineunte saeculo XIII. confectam esse
patet“ sagt die Einleitung in der Ausgabe des Recueil des Historiens des Croi-
sades, Hist, occid., I, 1, Paris 1844, S. XXV von der Übersetzung. Vgl. auch
F. Oft, Die afrz. Übersetzung der Kreuzzugsgeschichte Wilhelms vcn
Tyrus, Diss., Halle 1899.
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Frankreich, wohl noch im 12. Jahrhundert1, eine Übersetzung ins
Französische gefunden. Ich habe oben S. 48 A. auf eine auffallende
Übereinstimmung im Parzivaltexte, wo er in die Erzählung der
morgenländischen Kämpfe Gahmurets eine geschichtliche Betrach-
tung einschaltet, mit dem Texte Wilhelms von Tyrus hingewie-
sen, der dieselbe Betrachtung bei der Erzählung der geschichtlichen
Urbilder von Wolframs Bericht anstellt. Vgl. auch, was Parz. 13.
13 ff. von der überragenden Stellung des baruc von Baldac gesagt
ist, mit Wilhelm von Tyrus XIX. 13: Adierat (Siraconus d. h.
Schirkuh) illum maximum Saracenorum principem, qui quasi singu-
laris monarcha, cunctis excellentior, omnibus praeesse intellegitur,
calipham videlicet de Baldac. (Die französische Übersetzung lautet
hier allerdings viel dürftiger: Siracons . . . estoit alez au souverein
prince de touz les Sarrazins.) Wolframs Darlegung sieht aus wie
eine Verbindung von W. v. Tyrus mit Otto von Freising, auf
den Heinzel a.a.O. 8 verweist. Es könnte ganz wohl sein, daß
der Dichter die Chronik in ihrer französischen Übersetzung gelesen
hätte. Sein Werk zeigt manche Spur davon, mit welch leiden-
schaftlichem Anteil er jeder Art Kunde aus dem Morgenlande auf-
getan war. Und so könnte man denn überhaupt auszusprechen
wagen, daß Wolfram ungefähr sein eigenes Bemühen beschrieben
habe, wenn er von seinem fabelhaften Kyot versichert 455. 9:
er las der lande chronica
ze Britäne und anderswä,
ze Francriche und in Irlant:
ze Anschouwe er diu maere vant.
Eines ist noch wichtig herauszuheben. Daß die Anleihen bei
französischer Dichtung innerhalb unserer Vorgeschichte von nie-
mand anders als Wolfram selbst hereingeholt wurden, beweist
noch die Art, in der die Vorlagen benutzt sind. Wer die oben
gegebenen Vergleichungen an Hand der beiderseitigen Texte ver-
folgen mochte, konnte sich überzeugen, daß die Art der Benutzung
dieselbe ist, die wir bei einer Vergleichung des Parzival-Hauptteiles
oder des Willehalms mit ihren französischen Vorlagen beobachten.
Der Anschluß ist öfter inhaltlich sehr genau, ja er reicht nicht
1 So Gröber, ebd. 721. — „Quam ineunte saeculo XIII. confectam esse
patet“ sagt die Einleitung in der Ausgabe des Recueil des Historiens des Croi-
sades, Hist, occid., I, 1, Paris 1844, S. XXV von der Übersetzung. Vgl. auch
F. Oft, Die afrz. Übersetzung der Kreuzzugsgeschichte Wilhelms vcn
Tyrus, Diss., Halle 1899.