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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 3. Abhandlung): Die Hohenpriesterliste bei Josephus und die evangelische Chronologie — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42019#0022
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22

Gustav Hölscher:

Verwandter des Ananos, des Sohnes des Σε-β-(ι) ist, so fiele bereits
die Ernennung des ersteren in das Jahr 6 n. Chr. Jedenfalls war
dieser ältere Ananos, welcher Vater von fünf Hohenpriestern ge-
wesen ist, einer der einflußreichsten Hohenpriester, und seine Amts-
zeit wird schwerlich kurz gewesen sein. Wenn man die summa-
rische Datierung der vier Hohenpriester Ismael, Eleasar, Simon
und Joseph Kaiaphas unter Valerius Gratus bezweifeln will, so
bliebe die Möglichkeit, die Amtszeit des Ananos bis in den Anfang
der Prokuratur des Pilatus auszudehnen, und die Amtszeit des
Kaiaphas fiele dann in die dreißiger Jahre, also in die ersten Jahre
der urchristlichen Gemeinde. Eine sichere Entscheidung ist nicht
möglich, auch nicht auf Grund der urchristlichen Überlieferungen
im Neuen Testamente.

IV.
Auf die Frage, welcher jüdische Hohepriester das Verhör gegen
ihren Meister vorgenommen hatte, wußte die älteste christliche
Tradition keine Antwort; denn bei Markus wird kein Name ge-
nannt, und auch bei Lukas bleibt er anonym (Luk. 22, 54). Da-
gegen datiert Lukas 3, 1—2 das Auftreten des Täufers durch einen
ausführlichen Synchronismus in das 15. Jahr des Tiberius, unter
die Prokuratur des Pontius Pilatus, die Regierung der Tetrarchen
Herodes, Philippus und Lysanias und die Amtszeit der Hohen-
priester Annas und Kaiaphas. Aber der Text επί, άρχιερέως ’Άννα
καί Καϊάφα befremdet durch den inkorrekten Singular άρχιερέως;
die Lesart αρχιερέων ist eine schlechte Abhilfe, und die Doppelt-
heit der Hohenpriesternamen zur Datierung eines Jahres ist un-
möglich, da jeweils nur ein Hoherpriester im Amte war und hier
von Amtsführung die Rede ist. Die Erklärung, daß Annas die
Herrschaft behalten habe, obwohl Kaiaphas das heilige Amt inne-
hatte, zwingt nicht, und Wellhausen hat recht, wenn er καί
Καϊάφα für nachgetragen ansieht1. Auch in AG 4, 6 ist möglicher-
weise ursprünglich nur Annas genannt und καί Καϊάφας nach-
getragen2. Jedenfalls wird nur Annas als „der Hohepriester“, d. h.
der damals amtierende Hohepriester bezeichnet; Kaiaphas bleibt
ohne Titulatur, wie die übrigen Angehörigen der hohenpriester-
1 Wellhausen, Ev. Lucae, 1904, 4; Kritische Analyse der Apostel-
geschichte, 1914, 8. Der Widerspruch Ed. Meyers dagegen (I 1921, 49, Anm.4)
ist nur eine kategorische Behauptung.
2 Wellhausen, Ev. Joh., 1908, 81; Apostelgesch., 1914, 8.
 
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