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E. Wahle:
ologisch gesehen stehen wir hier vor dem tiefgreifenden Wandel der
Gesittung, der sich in dem unüberbrückbaren Unterschied zwischen
Hallstatt und La-Tene ausdrückt; und trotzdem würde hier doch
nicht derjenige Wechsel der Bevölkerung vorliegen, den man bei
einem solchen Bilde der Funde anzunehmen gewohnt ist. Bewährt
sich diese Deutung, dann liegt hier der Fall im Vergleich mit dem
an erster Stelle vorgetragenen genau umgekehrt. Dort findet ein
Wechsel der Bevölkerung statt, der in dem Fundstoff nicht zur
Geltung kommt; hier aber weist das archäologische Bild geradezu
eine Kluft auf, und doch soll die führende Schicht dieselbe geblie-
ben sein. Die Funde selbst sagen uns das freilich nicht1. Auch hier
wieder spielen die Schriftquellen die entscheidende Bolle; ver-
mittels ihrer Hinweise erscheint es berechtigt, eine Beihe archäolo-
gischer Erscheinungen zu dem skizzierten Bilde zusammenzufügen.
Auch dieses zweite Beispiel mahnt also zur Revision der prä-
historischen Methoden; verleitet die Überfülle der Funde dazu, die
Bedeutung der rein archäologischen Betrachtung zu überschätzen,
so lehrt die Besinnung auf die eindeut igen Aussagen der Schrift-
quellen, in den Bereichen ihrer Gültigkeit zu klaren Ergebnissen
zu gelangen und aus diesen die Brauchbarkeit des archäologischen
Stoffes für ethnographische Schlußfolgerungen abzuleiten. Dies ist
auch der Weg Kossinnas gewesen; als der Germanist zu den Boden-
funden griff, um die fernere Frühzeit aufzuhellen, da lehnte er sich
doch an die Schriftquellen an und entwickelte an dem Material
der späten Frühzeit seine Gesichtspunkte methodischer Art2.
Nach den vor Jahrzehnten auf diese Art gewonnenen Regeln
decken sich die Begriffe Kultur und Volkstum. Aber wenn wir
Heutigen uns zu der Gültigkeit dieser Gleichsetzung bekennen, so
wissen wir doch auch nur zu genau, daß uns die Funde lediglich
einen zufällig erhalten gebliebenen Rest dieser nationalen Kultur
vor Augen führen; kann also der archäologische Stoff ihre Ab-
1 Ob einmal Einzelbeobachtungen von der Art, wie sie z. B. F. Garscha
(Badische Fundberichte 15, 1939, 17) vorträgt, hier in die Waagschale fallen,
sei dahingestellt. Auf den ersten Blick mögen diese Hinweise auf die Kon-
tinuität der Bevölkerung wohl etwas besagen; anderseits soll das Beispiel der
Sweben des Ariovist doch eben lehren, daß sich hinter einer von den Funden
vorgespiegelten Kontinuität der archäologischen Verhältnisse ein Wechsel der
tonangebenden Bevölkerung zu vollziehen vermag!
2 Wenn diese heute der Revision bedürfen, so ist dies in dem außer-
ordentlichen Anwachsen des damals noch recht spärlichen Fundstoffes be-
gründet.
E. Wahle:
ologisch gesehen stehen wir hier vor dem tiefgreifenden Wandel der
Gesittung, der sich in dem unüberbrückbaren Unterschied zwischen
Hallstatt und La-Tene ausdrückt; und trotzdem würde hier doch
nicht derjenige Wechsel der Bevölkerung vorliegen, den man bei
einem solchen Bilde der Funde anzunehmen gewohnt ist. Bewährt
sich diese Deutung, dann liegt hier der Fall im Vergleich mit dem
an erster Stelle vorgetragenen genau umgekehrt. Dort findet ein
Wechsel der Bevölkerung statt, der in dem Fundstoff nicht zur
Geltung kommt; hier aber weist das archäologische Bild geradezu
eine Kluft auf, und doch soll die führende Schicht dieselbe geblie-
ben sein. Die Funde selbst sagen uns das freilich nicht1. Auch hier
wieder spielen die Schriftquellen die entscheidende Bolle; ver-
mittels ihrer Hinweise erscheint es berechtigt, eine Beihe archäolo-
gischer Erscheinungen zu dem skizzierten Bilde zusammenzufügen.
Auch dieses zweite Beispiel mahnt also zur Revision der prä-
historischen Methoden; verleitet die Überfülle der Funde dazu, die
Bedeutung der rein archäologischen Betrachtung zu überschätzen,
so lehrt die Besinnung auf die eindeut igen Aussagen der Schrift-
quellen, in den Bereichen ihrer Gültigkeit zu klaren Ergebnissen
zu gelangen und aus diesen die Brauchbarkeit des archäologischen
Stoffes für ethnographische Schlußfolgerungen abzuleiten. Dies ist
auch der Weg Kossinnas gewesen; als der Germanist zu den Boden-
funden griff, um die fernere Frühzeit aufzuhellen, da lehnte er sich
doch an die Schriftquellen an und entwickelte an dem Material
der späten Frühzeit seine Gesichtspunkte methodischer Art2.
Nach den vor Jahrzehnten auf diese Art gewonnenen Regeln
decken sich die Begriffe Kultur und Volkstum. Aber wenn wir
Heutigen uns zu der Gültigkeit dieser Gleichsetzung bekennen, so
wissen wir doch auch nur zu genau, daß uns die Funde lediglich
einen zufällig erhalten gebliebenen Rest dieser nationalen Kultur
vor Augen führen; kann also der archäologische Stoff ihre Ab-
1 Ob einmal Einzelbeobachtungen von der Art, wie sie z. B. F. Garscha
(Badische Fundberichte 15, 1939, 17) vorträgt, hier in die Waagschale fallen,
sei dahingestellt. Auf den ersten Blick mögen diese Hinweise auf die Kon-
tinuität der Bevölkerung wohl etwas besagen; anderseits soll das Beispiel der
Sweben des Ariovist doch eben lehren, daß sich hinter einer von den Funden
vorgespiegelten Kontinuität der archäologischen Verhältnisse ein Wechsel der
tonangebenden Bevölkerung zu vollziehen vermag!
2 Wenn diese heute der Revision bedürfen, so ist dies in dem außer-
ordentlichen Anwachsen des damals noch recht spärlichen Fundstoffes be-
gründet.