Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0027
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

27

grenzung in Raum und Zeit in einem besonders gelagerten Fall
gestatten, so muß dem doch keineswegs so sein. Wenn in vor-
stehendem von dem Hallstatt-Kreis gesprochen werden mußte, dann
wurde damit ein Begriff herangezogen, welcher sowohl in bezug
auf die Ausprägung seiner Kultur wie auch hinsichtlich der dafür
in Betracht kommenden Träger recht verschwommen ist. Auch
hier hat ein Fundplatz dem archäologischen Kreis den Namen
gegeben, der keinesfalls für diese Welt als typisch hingestellt wer-
den darf. Und wenn wir auch ziemlich genau wissen, welche Funde
diesem Kreis zugehören und welche nicht, so fehlt es doch noch
durchaus an der Definition und der räumlichen Umschreibung dieses
Begriffes. Der Hallstatt-Kreis reicht von den Karpathen bis Ost-
frankreich. In obigem aber wurde nur der westliche, bis zur Moldau
reichende Teil dieses Gebietes herangezogen, als es darauf ankam,
die Wurzeln der La-Tene-Kelten zu finden. Als Träger jenes öst-
lichen Teiles des Hallstatt-Kreises werden nämlich mit guten Grün-
den die Illyrier angesehen, und so ergibt sich die eigenartige Er-
scheinung, daß ein gut erkennbarer und einheitlich scheinender
archäologischer Kreis auf zwei ganz verschiedene Völker aufgeteilt
werden muß.
Vielleicht ist dieses eigenartige Nebeneinander von keltischem
und illyrischem Hallstatt1 darin tief begründet, daß die ,,Kelten“
der spätesten Bronzezeit die schon genannte Überfremdung erfah-
ren, die zwar auf dem Gebiete des Geistigen überwunden wird,
sich aber in einer sehr starken Angleichung ihres materiellen Gutes
an dasjenige der Illyrier auswirkt. Dazu kommt, daß beide Völker
gleichermaßen den Einflüssen von Italien ausgesetzt sind, welche
sehr stark nivellierend wirken. Der Fundort Hallstatt selbst liegt
nahe der Grenze beider, und das Schicksal will es, daß er mit abso-
luter Sicherheit heute noch keinem der beiden Kreise zugewiesen
werden kann. So vermögen sich also unter dem Firnis eines relativ
einheitlichen Fundniederschlages sehr verschiedene Nationalitäten
zu verbergen. Im Anschluß an eine Untersuchung, welche die voll-
ständige Wandlung der Gesittung und damit des archäologischen
Bildes innerhalb ein und desselben Volkstums zeigen soll, bestätigt
sich also auch noch die Richtigkeit des an dem ersten Beispiel ge-
wonnenen Ergebnisses; aus der Einheitlichkeit des Fundgutes kann
nicht ohne weiteres ein geschlossenes Volkstum gefolgert werden.
1 Vgl. dazu E. Wahle, Deutsche Vorzeit, 1932, 108f., wo das Problem
im Rahmen der geschichtlichen Darstellung zur Geltung kommt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften