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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0075
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

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ganz bestimmten Weg, vereinigen sie sich unter einunddemselben
Gesichtspunkt, welcher bei näherem Zusehen überall in dem früh-
geschichtlichen Stoff begegnet, wo man nur nach ihm sucht. Es
gilt, hinter der archäologischen Typenfolge das Auf und Ab der
Lebensvorgänge zu sehen, Zeiten stärkerer Kraftentfaltung von
solchen zu scheiden, in denen das Dasein ruhiger dahinfließt, und
neben den handelnden Gemeinschaften auch die bedeutsame Einzel-
persönlichkeit nicht zu vergessen. Archäologisch greifbar sind allem
Anschein nach in erster Linie die Perioden der Entspannung und
des Kräftesammelns, während diejenigen der besonderen Entfal-
tung der Kräfte sich nur zu leicht unserer Beobachtung entziehen.
Und wenn das autoritäre Individuum, die Führergestalt, schon in
den frühesten Schriftquellen überall anzutreffen ist, dann liegt es
doch nahe, auch für die vorangegangene Zeit mit ihr zu rechnen,
in den Denkmalen des gesellschaftlichen Lebens wie auch der Kunst
nach ihr zu suchen und hier den Grad ihrer Wirksamkeit zu er-
mitteln.
Die Prähistorie muß darauf bedacht sein, neben der Geschichts-
wissenschaft von Altertum und Mittelalter zu bestehen, und zwar
sowohl in bezug auf ihre Methoden wie hinsichtlich ihres Zieles.
Man pflegt gerne zu sagen, jene Wissenszweige hätten eine ungleich
ältere eigene Entwicklung und seien eben deshalb so viel weiter
gediehen; man sollte aber viel mehr darauf aufmerksam machen,
daß sie vor der Prähistorie den handelnden Menschen voraus haben,
während diese sich vorwiegend einer Kollektiverscheinung gegen-
übersieht. Kossinna ist vermittels der Methoden und unter den
Gesichtswinkeln seiner Generation bemüht gewesen, hinter dem
Stoff die historisch wirksamen Völker zu sehen. Und heute gilt es,
mit neuer Fragestellung an Funde wie Typentafeln heranzutreten,
um der Prähistorie den Charakter einer Geschichtswissenschaft zu
wahren.

6.
Wo Prähistorie und Geschichte mit ihren Stoffgebieten anein-
ander grenzen, begegnet überall, mehr oder weniger vom Licht-
kegel der Schriftquellen erhellt, die hervorragende Einzelgestalt.
Die Führerpersönlichkeit bestimmt hier den Gang der Ereignisse
auf Grund ihrer besonderen Fähigkeiten und der Zeitumstände;
in jedem Fall steht sie in einer geschichtlichen Konstellation von
durchaus einmaliger Art, und so sieht sich die betreffende Gestalt
 
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