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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0117
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

117

8.
Genau so wie die archäologische Typenreihe der Belebung
bedarf, so auch die Typentafel. Dort gehen die Anregungen von
der Einzelgestalt aus, welche an der Vervollkommnung eines Ge-
rätes arbeitet; hier vereinigt sich ein ganzer Kreis von schöpfe-
rischen Werkstätten zu einem in einheitlicher Richtung liegenden
Tun, und offenbart damit die Lebenskraft der ethnischen Gemein-
schaft. Die ursächliche Auffassung der Typenreihe hat auf dem
hinter ihr stehenden Menschen aufzubauen, und ebenso muß die
Deutung der Kulturprovinz davon ausgehen, daß sie ihr Dasein
einem gleichermaßen geschlossenen wie aktiven Lebenskreise ver-
dankt. Diese Vorstellung von der Lebenskraft erscheint dazu
geeignet, der archäologischen Ethnographie eine neue Richtung zu
weisen, und dies dürfte umso notwendiger sein, als die bisher an
Kossinnas ,,Siedelungsarchäologie“ geübte Kritik nicht zu einer
solchen vordringt. Die gelegentlichen, gerne auch in Buchbespre-
chungen eingefügten kurzen Bemerkungen P. Reineckes1 bleiben
allzu sehr im Negativen stecken, und in seinen im übrigen sehr
wichtigen „Vorbemerkungen zu einer Chronologie der mitteleuro-
päischen Steinzeit“2 sieht derselbe sich außerstande, ,,für dies zeit-
liche Miteinander im nämlichen ausgedehnten Raum augenblick-
lich eine einwandfreie kulturgeschichtliche wie historisch-ethno-
graphische Deutung zu finden“3. So richtig die Ausführungen so-
wohl Jacob-Friesens4 wie auch von W. Petzsch5 in mancher Hin-
sicht sein mögen, so wenig Positives ist mit ihnen gewonnen.
Soll nun die archäologisch feststellbare Kulturprovinz weniger
die Grenzen eines Volkes als diejenigen seiner Aktivität spiegeln,
dann gilt es aber, diesen Lebensvorgang noch etwas schärfer zu
erfassen. Mit der Vorstellung einer aktiven Lebensgemeinschaft ist
doch zugleich diejenige eines nicht gleichermaßen wirksamen Men-
schenkreises verbunden, genau so wie zu dem Bilde des hervor-
ragenden Gestalters der Hintergrund der nur durchschnittlich täti-
gen Menschen gehört. Die Vergesellschaftung der besonderen Lei-
stung innerhalb sowohl eines Volkes wie einer begrenzten Zeitspanne
1 z. B. Germania 15, 1931, 196.
2 Prussia 33, 1939, 240—255.
3 a.a.O. 248; eine ganz ähnliche Formulierung ebenda 254 oben.
4 Grundfragen der Urgeschichtsforschung, 1928, 148ff.; ähnliche Be-
merkungen öfters in seinen anderen Arbeiten und Besprechungen.
5 S. oben S. 114 Anm. 1.
 
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