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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0131
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 131
doch kaum einmal Vermutungen über die wirklich treibenden
Kräfte anstellen. Wie weit ist hier der Lebensraum wirksam und
wie weit die Rasse?; fallen etwa auch das Kulturniveau und die
allgemeine geschichtliche Konstellation in die Waage, und erscheint
es nicht überhaupt geraten, an das Zusammenwirken mehrerer von
diesen Umständen zu denken ? Aber auf alles dies geben uns die
Funde keine Antwort. Genau so wie hinsichtlich der Einzelgestalt
fehlt auch in bezug auf die Völker der Einblick in die persönlichen
Triebkräfte und in das persönliche Schicksal; wie wir den Men-
schen nur in seinem Werke sehen, so auch die Nationen lediglich
in ihrer geschichtlichen Leistung. Unsere ganze LIntersuchung hier
zielt auf die Herausstellung des gestaltenden Menschen hin — aber
bis zu seiner inneren Haltung dringt sie also doch nicht vor!
Die typologische Methode geht ihrer Natur nach auf eine
lückenlose Abfolge aus; der gleichsam als gesetzmäßig angesehene
Werdegang der Formen erzeugt ein Gefühl absoluter Zuverlässig-
keit ihrer Reihen und der aus ihnen herausgelesenen Vorgänge
bevölkerungsgeschichtlicher Art. Die Betonung gerade der Klüfte
verweist dagegen auf die Notwendigkeit der Kombination, also auf
diejenige Erklärung, welche nach dem jeweiligen Stand der Er-
kenntnis die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Damit wird
an die Stelle des für gesichert gehaltenen Ergebnisses lediglich eine
Möglichkeit gesetzt. Natürlich sieht dies wie ein Rückschritt aus,
und so erhebt sich vielleicht die Frage, was mit dem ständigen
Hinweis auf den Menschen denn eigentlich Sicheres gewonnen sei.
Nun, indem diese Überlegungen die Grenzen des wirklich Erreich-
baren zeigen, werben sie zugleich für eine lebendigere Auffassung
der frühgeschichtlichen Vergangenheit.
9.
Soweit die frühgeschichtliche Vergangenheit überhaupt einen
Stoff bietet, der ein persönlich gehaltenes Bild von ihr gibt, wird
die Entwicklung von den Einzelgestalten getragen, den Praktikern
und Künstlern, den Häuptlingen und den Priestern. Aber diese
in wenige Köpfe zusammengeballten Energien sind genau so wie
in den Perioden der schriftlichen Liberlieferung nicht gleichmäßig
auf Zeiträume und Gemeinschaften verteilt. Es gibt Völker, welche
Geschichte machen, und andere, die eine geringere Aktivität ent-
falten; sodann aber lassen sich im Leben der Gemeinschaften die
fruchtbaren Zeitabschnitte von denjenigen scheiden, in denen man

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