Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0132
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
132

E. Wahle:

die stattgehabte Formung als gegeben hinnimmt und von ihr zehrt,
in denen sich aber auch schon manches kommende Geschehen an-
bahnt. Die Richtigkeit dieser auf frühgeschichtlichem Gebiet ge-
wonnenen Erkenntnis wird durch die Beobachtung entsprechender
Vorgänge im Bereiche der späteren geschichtlichen Entwicklung
bestätigt.
In den Funden spiegeln sich also die Ergebnisse dieser Ener-
gien, und zwar sowohl auf dem Gebiete der Sachaltertümer wie
hinsichtlich ihres politischen Erfolges. Der archäologische Stoff
zeigt demgemäß nicht das Volkstum selbst, sondern seine Lebens-
kraft. Nach unseren Beobachtungen kann es wohl Vorkommen,
daß eine Fundprovinz den Volkskörper umreißt; aber nicht minder
häufig greift sie über diesen hinaus. Auch verläuft die Entwick-
lung oftmals so sprunghaft, daß der archäologische Faden fort-
gesetzt verloren geht. Die Einwände von Ed. Meyer und M. Hoer-
nes1 gegenüber der Zurückverfolgung geschichtlicher Völker in die
prähistorischen Kulturstufen hinein bestanden also zu Recht.
Anderseits wird man dem Streben der älteren Generationen,
„den Funden die Individualität wiederzugeben“, die Anerkennung
auch dann nicht versagen dürfen, wenn man selbst von der zeit-
lichen Gebundenheit ihrer Methoden überzeugt ist. Veranschau-
lichen uns, wie gezeigt, die Kulturprovinzen weniger das Werden
als wie das Gewordene, so muß es nun Sache der Deutung der
archäologischen Befunde sein, die Fäden zwischen diesen Zuständen
zu suchen und zumindest den Sinn der Entwicklung zu zeigen.
Natürlich behält die Typologie ihren Wert, doch kommt jetzt der
Kombination eine nicht minder große Bedeutung zu. Nicht daß
die Überbrückung der Fundlücken bisher nicht geübt worden sei;
aber die Kombination hat nunmehr eine ungleich verantwortlichere
Aufgabe als wie vordem. Es wurde bereits gesagt, daß uns der
eigentliche Inhalt der Klüfte zwischen den Stoffgruppen kaum
jemals zugänglich ist; damit aber fehlt dem dahinter stehenden
Vorgang von vornherein der persönliche Charakter, und so besteht
natürlich die Gefahr, daß er sofort wieder einer Typisierung ver-
fällt. Aber hier gilt es nun eben zu betonen, daß der jene Kultur-
provinzen gestaltende Mensch alles andere ist als wie ein abstraktes
Individuum. Sein aus den Zeiten des ruhig dahinfließenden Da-
seins stammender Nachlaß zeigt ihn uns als den Träger einer ganz
bestimmten Tradition wie auch als den Gestalter des eigenen Er-

1 S. oben S. 7 2 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften