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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0116
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116

E. Wahle:

block hinweg. Vortrefflich spiegelt sich in den Karten 0. Men-
ghins, welche die ganze Steinzeit der Alten Welt berücksichtigen1,
wie die räumliche Differenzierung der Gesittung mit der Zunahme
ihrer Entwicklung immer größer wird, und wie die ehedem allein
das Bild beherrschenden Urkulturen mehr und mehr in die peri-
pheren und unwirtlichen Gebiete zurückweichen. Für die vor dem
neolithischen Bauerntum liegende Zeit kann also im wesentlichen
nur das allgemeine Niveau der Gesittung festgestellt werden; wohl
deuten sich auch hier gelegentlich Kulturwanderungen an, und
mitunter liegt es sogar nahe, eine derartige Bewegung mit der
Ausbreitung einer bestimmten Rasse in Zusammenhang zu bringen,
doch verlieren sich die betreffenden Anhaltspunkte bei näherem
Zusehen fast immer wieder in der Unbestimmtheit der Quellen und
in der Größe sowohl der geographischen Räume wie auch der in
Betracht kommenden Zeiten.
Sind aber auf diesen frühesten Stufen menschlicher Gesittung
überhaupt schon wirkliche „Völker“ zu erwarten? So wenig wir
von der archäologischen Beobachtung her die Frage beantworten
können, ob der Faustkeil die Erfindung eines hervorragenden
Kopfes ist, oder ob er nicht eher als ein selbstverständliches Uni-
versalgerät für den Primitiven so nahe lag, daß er in den verschie-
densten Gegenden und Zeitabschnitten hat herangebildet werden
können, so wenig sind wir in der Lage, eine persönliche Lebens-
gestaltung der frühen Gemeinschaften durch Funde zu beweisen.
Der Kreis der Kulturgüter umfaßt nur die einfachsten Bedürfnisse,
die sich aus den Trieben der Selbsterhaltung und der Erhaltung
der Art ergeben. Aus demjenigen geschaffen, was die Umwelt zum
unmittelbaren Verbrauch darbietet, spiegelt er die natürliche Aus-
stattung der Länderräume wieder. Doch genügt hier nun nicht die
Überlegung, daß in einer derartigen Welt für die besondere Be-
gabung nur wenig Raum zur Betätigung bleibt ; muß nicht viel
eher gefragt werden, von welcher Zeit an die Menschen in geistiger
Hinsicht schon so weit differenziert sind, daß eine überragende
Leistung erwartet werden darf? Aus dieser Fragestellung ergibt
sich aber, daß auch das Volk erst im Laufe der Zeit Gestalt an-
nimmt. Das archäologische Zeugnis einer derartigen Lebensgemein-
schaft, die Kulturprovinz, ist also für das Niveau der altpaläoli-
thischen Urkultur noch kaum zu erwarten, und bietet sich der For-
schung in der Folgezeit nur sehr allmählich dar.
1 Weltgeschichte der Steinzeit, 1931, 619 (Verzeichnis der 7 Karten).
 
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