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E. Wahle:
die kaum irgendwo von anderer Seite in nennenswertem Umfang
aufgegriffen worden ist.
Ganz einerlei, ob es sich nun um derartige seltene oder gar
nur einmalig begegnende Fundstücke handelt, oder um eine Form,
die, wie die Schmuckdose der Periode 3 der nordischen Bronze-
zeit der Ausgang einer Entwicklung ist — hier wie dort liegt eine
originale Schöpfung vor, die nicht eine schon vorhandene typolo-
gische Reihe weiterbildet, sondern durchaus ihre eigenen Wege
geht und damit zum Ausdruck bringt, wie so mancher begabte
Metallhandwerker nach einer Gelegenheit sucht, sein Können an-
zuwenden. Man findet diese Zeugnisse eines besonderen Schaffens-
dranges überall da, wo man nur innerhalb der Metallzeiten nach
ihnen fahndet1. Natürlich fühlt sich kaum eine dieser Gestalten
als der Träger einer Entwicklung, denn dazu sind sowohl die
geschichtliche Rückerinnerung wie besonders auch das Geschichts-
bewußtsein selbst zu gering ausgebildet. Jedem Meister ist nur der
überkommene Formenvorrat geläufig, und es bleibt ihm allein
überlassen, diesen in bezug auf den Stil oder technische Einzel-
heiten ein wenig weiterzubilden, oder ihn durch eine ganz neue
Arbeit zu bereichern.
In unseren heutigen Typentafeln, welche die ehedem statt-
gehabte Entwicklung in ihren verschiedenen, sich über die früh-
geschichtlichen Jahrhunderte erstreckenden Etappen zu erkennen
geben, sind diese originalen Leistungen gleichsam die treibende
Kraft. Denn von ihnen geht die Belebung des ererbten Typen-
schatzes aus, nicht aber von der Kleinarbeit an diesem letzteren.
Überblickt man den Ablauf eines Kulturkreises, z. B. der germani-
schen Bronzezeit, dann begegnen während aller Perioden diese Neu-
schöpfungen, welche von dem ewig fließenden Quell der besonderen
Begabung künden. Es kann aber auch Vorkommen, daß die ge-
schichtlichen Umstände zu einer Vergesellschaftung zahlreicher
besonderer Leistungen innerhalb einer nur kurzen Zeit führen, und
sich somit aus der Summe dieses Neuen eine eben nun auch ganz
neue archäologische Welt ergibt. Ein solcher Fall liegt in dem
Inventar der frühdeutschen Reihengräberfelder vor, welche an
1 Die Erzeugnisse der Metallindustrie sind, wie auch die vorgetragenen
Beispiele lehren, die weitaus ergiebigste Quelle für die Ermittelung der hervor-
ragenden Leistung. Es sei hier dahingestellt, ob die Denkmäler neolithischen
oder gar noch älteren Gewerbefleißes das gleiche Ergebnis zeitigen, wenn man
sich ihnen unter den entsprechenden Gesichtspunkten nähert.
E. Wahle:
die kaum irgendwo von anderer Seite in nennenswertem Umfang
aufgegriffen worden ist.
Ganz einerlei, ob es sich nun um derartige seltene oder gar
nur einmalig begegnende Fundstücke handelt, oder um eine Form,
die, wie die Schmuckdose der Periode 3 der nordischen Bronze-
zeit der Ausgang einer Entwicklung ist — hier wie dort liegt eine
originale Schöpfung vor, die nicht eine schon vorhandene typolo-
gische Reihe weiterbildet, sondern durchaus ihre eigenen Wege
geht und damit zum Ausdruck bringt, wie so mancher begabte
Metallhandwerker nach einer Gelegenheit sucht, sein Können an-
zuwenden. Man findet diese Zeugnisse eines besonderen Schaffens-
dranges überall da, wo man nur innerhalb der Metallzeiten nach
ihnen fahndet1. Natürlich fühlt sich kaum eine dieser Gestalten
als der Träger einer Entwicklung, denn dazu sind sowohl die
geschichtliche Rückerinnerung wie besonders auch das Geschichts-
bewußtsein selbst zu gering ausgebildet. Jedem Meister ist nur der
überkommene Formenvorrat geläufig, und es bleibt ihm allein
überlassen, diesen in bezug auf den Stil oder technische Einzel-
heiten ein wenig weiterzubilden, oder ihn durch eine ganz neue
Arbeit zu bereichern.
In unseren heutigen Typentafeln, welche die ehedem statt-
gehabte Entwicklung in ihren verschiedenen, sich über die früh-
geschichtlichen Jahrhunderte erstreckenden Etappen zu erkennen
geben, sind diese originalen Leistungen gleichsam die treibende
Kraft. Denn von ihnen geht die Belebung des ererbten Typen-
schatzes aus, nicht aber von der Kleinarbeit an diesem letzteren.
Überblickt man den Ablauf eines Kulturkreises, z. B. der germani-
schen Bronzezeit, dann begegnen während aller Perioden diese Neu-
schöpfungen, welche von dem ewig fließenden Quell der besonderen
Begabung künden. Es kann aber auch Vorkommen, daß die ge-
schichtlichen Umstände zu einer Vergesellschaftung zahlreicher
besonderer Leistungen innerhalb einer nur kurzen Zeit führen, und
sich somit aus der Summe dieses Neuen eine eben nun auch ganz
neue archäologische Welt ergibt. Ein solcher Fall liegt in dem
Inventar der frühdeutschen Reihengräberfelder vor, welche an
1 Die Erzeugnisse der Metallindustrie sind, wie auch die vorgetragenen
Beispiele lehren, die weitaus ergiebigste Quelle für die Ermittelung der hervor-
ragenden Leistung. Es sei hier dahingestellt, ob die Denkmäler neolithischen
oder gar noch älteren Gewerbefleißes das gleiche Ergebnis zeitigen, wenn man
sich ihnen unter den entsprechenden Gesichtspunkten nähert.