Metadaten

Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0125
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen 125

Ostgoten ihr Reich konsolidiert hatten und damit ,,das Germanen-
tum in Italien kräftig emporblühte“. Genau so ist für Brenner1
der Stil der Reihengräberfelder erst die Folgeerscheinung der statt-
gehabten Landnahme und politischen Festigung in den neuen
Räumen, nicht aber ein Zeugnis schon des Vorganges selbst. Immer-
hin stehen sie beide der hier angestrebten Auffassung schon sehr
nahe, und nicht minder deutlich sieht v. Merhart2, daß die Gebiets-
ausweitung eines Volkes „ein komplizierter Vorgang“ gewesen sein
muß, der die „gesicherte genealogische Linie“ vermissen läßt. Auch
G. Engel macht auf das Problem aufmerksam3. Die Anwendung des
Grundsatzes von Montelius, daß Kulturkontinuität das Weiter-
leben der Bevölkerung anzeige, scheitere immer wieder daran, „daß
plötzlich einsetzende neue Kultureinflüsse die Kulturkontinuität
unterbrechen und zur Entwicklung einer neuen und andersartigen
Kultur führen, die von der voraufgehenden völlig abweicht. Diese
Überschichtung zweier anscheinend fremdartiger Kulturen läßt
sich jedoch nicht ohne weiteres mit der 'Neueinwanderung einer
fremdstämmigen Bevölkerung in Verbindung bringen“. Wenn er
nun aber damit rechnet, „daß auf Grund von Handels- bzw. Kultur-
einflüssen neue Formen und Bräuche eingeführt wurden, die sehr
schnell Anklang fanden und zu einem völligen Umschwung der
Mode bzw. des Stiles führten“, dann ergibt sich doch wieder sofort
die Frage nach den besonderen Kräften, welche diesen neuen Ein-
flüssen zugrunde liegen müssen.
In der Seltenheit derartiger Äußerungen spiegelt sich eine
etwas erstarrte Typologie, welche weder den Begriff des rück-
läufigen Kulturstromes weiter entwickelt, noch die kurzen Über-
gangsstufen inmitten der typologischen Reihen auf das Allgemeine
ihrer Erscheinungsform hin näher angesehen hat. Dabei drängt
der Fundstoff, der beides fortgesetzt zeigt, zur Deutung dieser
Tatsachen im Sinne der Vorstellung, daß uns der typologische Ein-
blick in das Werden der Kulturprovinzen im wesentlichen ver-
schlossen bleibt, daß wir, um mit Hoernes zu reden, lediglich den
fertigen Zustand sehen, nicht aber die Gestaltung der Dinge durch
die Kräfte der Entwicklung. Die Erklärung etwa der neolithischen
Stilgruppen in Brandenburg wird erst dann befriedigen, wenn man
gelernt hat, zwischen der langsamen Ausbreitung einer Gesittung
1 a.a.O. 298.
2 Oben S. 45.
3 In der oben S. 63 Anm. 1 genannten Arbeit, 24.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften