E. Wahle:
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(und damit zugleich vielleicht eines Volkes) einerseits, der plötz-
lichen, nur in einer rückläufigen Bewegung dokumentierten Aus-
breitung anderseits zu scheiden. Obwohl dieses Neolithikum eine
insgesamt von Nordwesten nach Südosten gehende Entwicklung zu
erkennen gibt, redet Sprockhoff1 von einem wiederholten Zu-
strom in umgekehrter Richtung. Trotz einer gründlichen Ausein-
andersetzung mit den Arbeiten Kossinnas deutet nichts bei ihm
an, daß er den Begriff des rückläufigen Kulturstromes aufgenom-
men hat und selbst anzuwenden gewillt ist. So werden insbeson-
dere auch Kossinnas vortreffliche Ansätze zur Lösung des Pro-
blems der Kugelflaschen nicht weiter entwickelt; sie gehen viel-
mehr für die heutige Forschung geradezu verloren, insofern sich
diese kaum mehr in die älteren Arbeiten vertieft. Es darf als
typisch hingestellt werden, daß der Behandlung des gleichen Stoff-
gebietes durch H. Priebe2 der Sinn für die Ermittelung der Dyna-
mik abgeht. Wenn Sprockhoff in dem eben genannten Beispiel
gleichsam Ursache und Wirkung miteinander verwechselt, dann
wird ihm darin von verschiedener Seite her Gefolgschaft geleistet.
Als Beispiel für eine ganz andere Zeitstufe sei hier E. Petersen
mit einer den gleichen Raum betreffenden Arbeit herausgegriffen;
deutet er doch einen von Thüringen nach der Odermündung ver-
laufenden Kulturstrom der Völkerwanderungszeit im Sinne einer
gleichgerichteten Zuwanderung westgermanischer Volksteile, an-
statt hierin die Folgeerscheinung der Herkunft der*thüringischen
Warnen aus dem pommerschen Küstengebiet zu sehen und damit
eine von anderer Seite schon lange vertretene These zu stützen3.
Auch in das Studium der Becherkulturen des Spätneolithikums
sollte der Begriff des rückläufigen Stromes eingeführt werden, zu-
mal es sich hier um sehr große Räume und um Vorgänge handelt,
die teilweise nur wenig Zeit beanspruchten. Wie wäre es z. B.,
wenn man den sog. Zug der Schnurkeramiker nach Südrußland als
das Zeugnis der Wanderung eines Volkes auffaßte, das von der
dortigen Steppe aus tief nach Mitteleuropa hinein vorstieß ?4 Kann
1 Die Kulturen der jüngeren Steinzeit in der Mark Brandenburg (Vor-
geschichtliche Forschungen I, 4), 1926, 80f., 88f., 136f.
2 Die Westgruppe der Kugelamphoren (Jahresschrift f. d. Vorgeschichte
der sächsisch-thüringischen Länder 28), 1938.
3 Mitteilungen aus dem vorgeschichtlichen Seminar der Universität
Greifswald 11/12, 1940, 1741.
4 Diese Vorstellung kommt in meinem Buche Deutsche Vorzeit (1932)
insofern bereits zur Geltung, als ich dort die Heimat der Indogermanen in
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(und damit zugleich vielleicht eines Volkes) einerseits, der plötz-
lichen, nur in einer rückläufigen Bewegung dokumentierten Aus-
breitung anderseits zu scheiden. Obwohl dieses Neolithikum eine
insgesamt von Nordwesten nach Südosten gehende Entwicklung zu
erkennen gibt, redet Sprockhoff1 von einem wiederholten Zu-
strom in umgekehrter Richtung. Trotz einer gründlichen Ausein-
andersetzung mit den Arbeiten Kossinnas deutet nichts bei ihm
an, daß er den Begriff des rückläufigen Kulturstromes aufgenom-
men hat und selbst anzuwenden gewillt ist. So werden insbeson-
dere auch Kossinnas vortreffliche Ansätze zur Lösung des Pro-
blems der Kugelflaschen nicht weiter entwickelt; sie gehen viel-
mehr für die heutige Forschung geradezu verloren, insofern sich
diese kaum mehr in die älteren Arbeiten vertieft. Es darf als
typisch hingestellt werden, daß der Behandlung des gleichen Stoff-
gebietes durch H. Priebe2 der Sinn für die Ermittelung der Dyna-
mik abgeht. Wenn Sprockhoff in dem eben genannten Beispiel
gleichsam Ursache und Wirkung miteinander verwechselt, dann
wird ihm darin von verschiedener Seite her Gefolgschaft geleistet.
Als Beispiel für eine ganz andere Zeitstufe sei hier E. Petersen
mit einer den gleichen Raum betreffenden Arbeit herausgegriffen;
deutet er doch einen von Thüringen nach der Odermündung ver-
laufenden Kulturstrom der Völkerwanderungszeit im Sinne einer
gleichgerichteten Zuwanderung westgermanischer Volksteile, an-
statt hierin die Folgeerscheinung der Herkunft der*thüringischen
Warnen aus dem pommerschen Küstengebiet zu sehen und damit
eine von anderer Seite schon lange vertretene These zu stützen3.
Auch in das Studium der Becherkulturen des Spätneolithikums
sollte der Begriff des rückläufigen Stromes eingeführt werden, zu-
mal es sich hier um sehr große Räume und um Vorgänge handelt,
die teilweise nur wenig Zeit beanspruchten. Wie wäre es z. B.,
wenn man den sog. Zug der Schnurkeramiker nach Südrußland als
das Zeugnis der Wanderung eines Volkes auffaßte, das von der
dortigen Steppe aus tief nach Mitteleuropa hinein vorstieß ?4 Kann
1 Die Kulturen der jüngeren Steinzeit in der Mark Brandenburg (Vor-
geschichtliche Forschungen I, 4), 1926, 80f., 88f., 136f.
2 Die Westgruppe der Kugelamphoren (Jahresschrift f. d. Vorgeschichte
der sächsisch-thüringischen Länder 28), 1938.
3 Mitteilungen aus dem vorgeschichtlichen Seminar der Universität
Greifswald 11/12, 1940, 1741.
4 Diese Vorstellung kommt in meinem Buche Deutsche Vorzeit (1932)
insofern bereits zur Geltung, als ich dort die Heimat der Indogermanen in