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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0056
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Messerbräuche. Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde 53

ist ungewiß. In der Quellenstelle wirkt die Mitgabe des Messers
als versöhnliche Milderung der harten angedrohten Strafe. Daß nur
ein kleines Messer, ein Sündel, dazu bewilligt wird, könnte verleiten,
darin einen Hohn, eine bloße Scheingnade zu sehen.
Auch die zweite Gruppe führt uns eine spiegelnde Strafe vor.
Bäuerliche Rechtsquellen, die sich auf die Landschaften von der
Eifel bis in den Wienerwald verteilen, bedrohen den Grenzstein-
frevler damit, daß er an die Stelle des ausgegrabenen oder aus-
geackerten Grenzsteins eingegraben wird. Oft wird dann noch ver-
langt, daß mit dem Pfluge über seinen Kopf gefahren werden soll.
Über wirkliche Ausführung dieser sagenhaften Strafe ist mir freilich
bisher keine Urkunde bekannt geworden. Unter den Sagen sind es
anscheinend nur die niedersächsischen, die davon berichten. Ich
möchte annehmen — und habe das kürzlich an anderem Orte aus-
geführt —, daß das Ganze gar kein bodenständiger deutscher Ge-
danke ist, sondern ein Fall literarischer Rezeption und volkstüm-
licher Ausspinnung römischen Gedankenerbes. Weiht doch ein
Gesetz des Numa Pompilius beim frevlerischen Überpflügen des
Grenzsteins Ochsen und Pflugführer den Unterirdischen1.
Einige niederösterreichische Weistümer bieten dem als Mark-
stein Eingegrabenen die Möglichkeit der Erlösung aus Todesangst
und Not. Die einfachste Form dafür finden wir im Bannteiding
von Guntramsdorf2:
welcher die gesezten rechten marktstein ausgrliebt . . . der soll an
des marktstein statt eingraben und mit ainer hant ledig gelassen
werden; grüebet er sich dan mit derselben hant wider herauß, so
soll er daß erste mahl frei sein.
Für die Sagenhaftigkeit und Nichtanwendung spricht, daß in einer
verbesserten Handschrift dieser Artikel durch eine nüchternere
Fassung ersetzt ist3. Dafür ist das Schauspiel farbiger ausgemalt
in dem Weistum des Burgfriedens von Hütting in Oberösterreich
vom Jahre 15134:
wen ainer einen marchstain . . außackert . . so sol er seinem nach-
paurn riiefen zu dreien malen und sol den stain mit dem rechten
fließ wider an die statt thuen . thuet ers aber nicht . . so sol
1 v. Künssberg, Geheime Grenzzeugen / Rechtswahrzeichen, 2. Heft,
1940, S. 77.
2 Österr. Weistümer VIII 1094.
3 Ebenda Fußnote 2.
4 Österr. Weistümer XII 859.
 
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