Messerbräuche. Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde 55
pinten mit ainem rüghalbm zu ainer seilen und im geben ain
phenbert messen in die haut, und schol dann dem landrichter
dreistund ruefen . sneidt sich der deup ab und lauft und
kchumpt davon, des ist di gemain unentgolten.
Es ist also auch hier nur ein billiges Messer, das erlaubt wird. In
verwandten Texten1 wird das Messer mit einem oder zwei
Pfennigen bewertet oder ganz unbestimmt von einem Messer
gesprochen2:
binden an ein stocken mit einen rugkhalben und soll im ein
messen in die haut geben; will er des richters warten, daß stee
mit im.
Betrachtet man die drei Gruppen des Lösemessers nebeneinander,
so ist nicht klar zu entscheiden, wo das Motiv entstanden ist und
ob es von dem einen Anwendungsfall auf die andern übertragen
ist. Wohl ist das Durchschneiden des Strohseiles vielleicht das
Natürlichste. Stellt man sich jedoch vor, daß der Fischdieb und
der Grenzsteinfrevler (dieser beim Ausgraben des Steines) etwa auf
handhafter Tat betroffen wurden, so könnte für jede Gruppe die
Verwendung des Messers gleichmäßig sich ergeben haben; wie ja
auch für die handhafte Tat die besonders strenge Bestrafung erklär-
lich ist.
Auf diese drei Fälle des Befreiungsmessers, die ja unter sich
verwandt sind, fällt sofort ein neues und erklärendes Licht, wenn
wir an die antike Überlieferung denken. Athenaios3 (um das
Jahr 200 nach Christi Geburt) erzählt, daß bei den Thrakern fol-
gendes Gesellschaftsspiel üblich war:
„Bei ihren Festgelagen pflegten sie miteinander zu losen. Der,
den das Los traf, mußte mit einem gekrümmten Messer auf
einen Stein steigen und den Kopf in eine darüber angebrachte
Schlinge stecken. Dann wurde der Stein weggeschoben und
er mußte schnell den Strick mit dem Messer durchschneiden.
Gelang es ihm, so hatte er gewonnen. Gelang es ihm aber
nicht, so mußte er in der Schlinge sterben, wobei seine Todes-
zuckungen von den andern fröhlich belacht wurden.“
1 1450 Österr. Weistümer IX 154; 1500 ebenda 170.
2 Ebenda 35; vgd. ebenda 107.
3 Jakob Grimm, Hängensspielen / Zeitschrift für deutsches Altertum 7
(1849), 477. Kleinere Schriften VII 259; Rochholz, Aargauer Sagen II 46, 56;
Wesselski, Märchen des Mittelalters, Xr. 21, S. 62. 214.
pinten mit ainem rüghalbm zu ainer seilen und im geben ain
phenbert messen in die haut, und schol dann dem landrichter
dreistund ruefen . sneidt sich der deup ab und lauft und
kchumpt davon, des ist di gemain unentgolten.
Es ist also auch hier nur ein billiges Messer, das erlaubt wird. In
verwandten Texten1 wird das Messer mit einem oder zwei
Pfennigen bewertet oder ganz unbestimmt von einem Messer
gesprochen2:
binden an ein stocken mit einen rugkhalben und soll im ein
messen in die haut geben; will er des richters warten, daß stee
mit im.
Betrachtet man die drei Gruppen des Lösemessers nebeneinander,
so ist nicht klar zu entscheiden, wo das Motiv entstanden ist und
ob es von dem einen Anwendungsfall auf die andern übertragen
ist. Wohl ist das Durchschneiden des Strohseiles vielleicht das
Natürlichste. Stellt man sich jedoch vor, daß der Fischdieb und
der Grenzsteinfrevler (dieser beim Ausgraben des Steines) etwa auf
handhafter Tat betroffen wurden, so könnte für jede Gruppe die
Verwendung des Messers gleichmäßig sich ergeben haben; wie ja
auch für die handhafte Tat die besonders strenge Bestrafung erklär-
lich ist.
Auf diese drei Fälle des Befreiungsmessers, die ja unter sich
verwandt sind, fällt sofort ein neues und erklärendes Licht, wenn
wir an die antike Überlieferung denken. Athenaios3 (um das
Jahr 200 nach Christi Geburt) erzählt, daß bei den Thrakern fol-
gendes Gesellschaftsspiel üblich war:
„Bei ihren Festgelagen pflegten sie miteinander zu losen. Der,
den das Los traf, mußte mit einem gekrümmten Messer auf
einen Stein steigen und den Kopf in eine darüber angebrachte
Schlinge stecken. Dann wurde der Stein weggeschoben und
er mußte schnell den Strick mit dem Messer durchschneiden.
Gelang es ihm, so hatte er gewonnen. Gelang es ihm aber
nicht, so mußte er in der Schlinge sterben, wobei seine Todes-
zuckungen von den andern fröhlich belacht wurden.“
1 1450 Österr. Weistümer IX 154; 1500 ebenda 170.
2 Ebenda 35; vgd. ebenda 107.
3 Jakob Grimm, Hängensspielen / Zeitschrift für deutsches Altertum 7
(1849), 477. Kleinere Schriften VII 259; Rochholz, Aargauer Sagen II 46, 56;
Wesselski, Märchen des Mittelalters, Xr. 21, S. 62. 214.