Messerbräuche. Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde 59
Im übrigen gibt es Rechtssätze, wo das Messer sozusagen als
Landestracht anerkannt ist; so im Passeiertal1:
daz unser thalleut . . in Passeyr alzeit messer ketten getragen
und sein inen nie verboten.
all thalleit rniigen in Passeyr scharrt, messer und spiess tragen
über velt und über gassen, ohn allein zu kürchen und zu dem
rechten.
Das Messer eines Knechtes ist nicht immer pfändbar2:
{wenn) ein paurnknecht zum wein gierig, das er sich versess und
vertrunk sich oder verspillet sich, so soll im der leitgeb nit mer
porgen dan sovil er oberhalb der gurtl antregt, ain messer sol er
im lassen, damit er seinem herrn ein zwickl mag ausschneiden.
Es war eine empfindliche Strafe, wenn jemand ohne Messer
essen mußte; die Regel des Heiliggeisthauses zu Travemünde vom
Ende des 13. Jahrhunderts3 schreibt vor:
si fr ater vel soror aliquem leserit vel male locutus fuerit, in VII
diebus penitent, in terra comedat panem et aquam sine mensale
et cuttello, panis integer et ciffus cum aqua.
§ 13. Messerstecken; Schindermesser.
Es gibt verschiedene Fälle, wo ein Messer ein Zeichen der Ein-
ehre ist. Schon im Jahre 1455 begegnet ein Rechtssatz in Kahla,
nach dem der Fleischhauer, der Montag auf dem Markte finniges
Fleisch hat, „ein Messer zu einem Zeichen“ dazustecken soll4. Hier
wird das feilgehaltene Fleisch disqualifiziert, und zwar mit einem
gewöhnlichen Metzgermesser. Viel deutlicher wirkt jedoch das
Messer des Abdeckers oder Henkers (deren Berufe ja als verwandt
galten und daher gemeinsam ausgeübt wurden). Das Schinder-
messer ist sozusagen Standeszeichen der Unehrlichkeit. Sowie den
Henker und Abdecker ein Tabu umgibt und man jede Gemeinschaft
mit ihnen meiden muß, so darf man auch das Schindermesser nicht
berühren, wenn es wohin gesteckt wurde. Nur der Abdecker selbst
kann es wieder entfernen; natürlich verlangt er für diese „Amts-
handlung“ eine Gebühr.
1 Österr. Weistümer V 96. 99. Vgl. Mai txer-Geramb, Steirisches
Trachtenbuch II 389.
2 Österr. Weistümer XI 283; IX 383. 389. 399. 405. 415.
3 Lübisches t'rkundenbuch I 669, Nr. 739.
4 Urkunden zur Geschichte der Stadt Kahla, 1899, S. 91.
Im übrigen gibt es Rechtssätze, wo das Messer sozusagen als
Landestracht anerkannt ist; so im Passeiertal1:
daz unser thalleut . . in Passeyr alzeit messer ketten getragen
und sein inen nie verboten.
all thalleit rniigen in Passeyr scharrt, messer und spiess tragen
über velt und über gassen, ohn allein zu kürchen und zu dem
rechten.
Das Messer eines Knechtes ist nicht immer pfändbar2:
{wenn) ein paurnknecht zum wein gierig, das er sich versess und
vertrunk sich oder verspillet sich, so soll im der leitgeb nit mer
porgen dan sovil er oberhalb der gurtl antregt, ain messer sol er
im lassen, damit er seinem herrn ein zwickl mag ausschneiden.
Es war eine empfindliche Strafe, wenn jemand ohne Messer
essen mußte; die Regel des Heiliggeisthauses zu Travemünde vom
Ende des 13. Jahrhunderts3 schreibt vor:
si fr ater vel soror aliquem leserit vel male locutus fuerit, in VII
diebus penitent, in terra comedat panem et aquam sine mensale
et cuttello, panis integer et ciffus cum aqua.
§ 13. Messerstecken; Schindermesser.
Es gibt verschiedene Fälle, wo ein Messer ein Zeichen der Ein-
ehre ist. Schon im Jahre 1455 begegnet ein Rechtssatz in Kahla,
nach dem der Fleischhauer, der Montag auf dem Markte finniges
Fleisch hat, „ein Messer zu einem Zeichen“ dazustecken soll4. Hier
wird das feilgehaltene Fleisch disqualifiziert, und zwar mit einem
gewöhnlichen Metzgermesser. Viel deutlicher wirkt jedoch das
Messer des Abdeckers oder Henkers (deren Berufe ja als verwandt
galten und daher gemeinsam ausgeübt wurden). Das Schinder-
messer ist sozusagen Standeszeichen der Unehrlichkeit. Sowie den
Henker und Abdecker ein Tabu umgibt und man jede Gemeinschaft
mit ihnen meiden muß, so darf man auch das Schindermesser nicht
berühren, wenn es wohin gesteckt wurde. Nur der Abdecker selbst
kann es wieder entfernen; natürlich verlangt er für diese „Amts-
handlung“ eine Gebühr.
1 Österr. Weistümer V 96. 99. Vgl. Mai txer-Geramb, Steirisches
Trachtenbuch II 389.
2 Österr. Weistümer XI 283; IX 383. 389. 399. 405. 415.
3 Lübisches t'rkundenbuch I 669, Nr. 739.
4 Urkunden zur Geschichte der Stadt Kahla, 1899, S. 91.