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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 3. Abhandlung): Messerbräuche: Studien zur Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42022#0067
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Eberhard Freiherr von Künssberg

das klingt rituell. Demnach werden wir Beispiele aus dem außer-
rechtlichen Volksbrauch heranziehen müssen. Es sind Fälle des
Abwehrzaubers, die sich uns da bieten. Man steckt ein Messer in
die Erde, um sich beim Baden gegen den Nix zu schützen1, um
einen Schwarm Kraniche aufzulösen2. Wo man die ersten Flachs-
körner aussät, da steckt man ein Messer hinein3; ebenso schützt
man die Erbsensaat4. Damit ein Toter kein Vampyr wird, steckt
man ein Messer in die Erde5. Der Fuhrmann steckt sein Taschen-
messer zwischen den Pferdefüßen in die Erde, um den verhexten
Wagen vorwärts zu bringen6. In der Saga von Olaf Tryggvason7
wird ein Fall erzählt, wie einer noch nach seinem Tode ein Messer
in die Erde steckt: In einer Gruppe von Gefangenen, die nach-
einander geköpft werden, sagt einer: ,,Ich habe hier ein Dolch-
messer in der Hand, und ich werde es in die Erde stecken, wenn
ich noch etwas weiß, nachdem mir der Kopf abgeschlagen ist.“
Man hieb ihm den Kopf ab, und der Dolch fiel nieder zur Erde
aus seiner Hand. — Doch alle diese Fälle erleichtern uns nicht das
Verständnis des erwähnten Bechtsbrauchs. Näher kommt vielleicht
das ,,Auftun des Wundsegens“: Wenn man ein Messer in die Erde
steckt und dann damit verwundet, dann ist der Wundsegen des
Gegners unwirksam8. Und noch näher steht der Aberglaube, daß
derjenige vor Gericht Beeilt behält, der ein Messer ohne Scheide
einsteckt9. Befriedigend und zur Klärung ausreichend sind aber
auch diese Dinge nicht. Der Messerbrauch auf dem Holtding des
Delbrücker Landes ist ein selbständiger Rechtsritus und einst-
weilen noch ungeklärt.
1 Heckscher, Volkskunde des germanischen Kulturkreises, 382; Laist-
ner, Rätsel der Sphinx I (1889), 109.
2 Heckscher a. a. O.
3 Sartori, Sitte und Brauch II (1911), 110.
4 Ebenda II 67.
5 Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VI, 189.
6 Ebenda.
7 peir väru sva bundnir, at einn strengr var snüinn at fotum allra peirra:
dälk hefi ek i hendi, ok mun ek stinga i jördina, ef ek veit nökkut, pä er höfudit
er af mer. Höfud var af peim höggvit, ok feil mdr dälkr or hendi honum. Heims-
kringla ed. Linder og Hagson, 1870, I 164. Der deutsche Text oben nach
der Übersetzung in: Thule, zweite Reihe, Bd. 14, 246.
8 Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Ausgabe, III 317.
9 Ebenda III 444, nr. 295.
 
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